Kurz nach der Reichtstagswahl am 5. März 1933 besetzte die Sturmabteilung (SA) die Jugendburg Hohnstein und errichtete dort eines der ersten Konzentrationslager im Deutschen Reich. Es diente vor allem der Ausschaltung politischer Gegner*innen. Anlässlich des 90. Jahrestages der Errichtung des KZ Hohnstein fand am 11. März 2023 auf der Burg eine Gedenkveranstaltung statt. In diesem Rahmen wurde eine von uns gestaltete Ausstellung eröffnet, die an die viele Jahre lang kaum sichtbare Geschichte der Burg Hohnstein zwischen 1924 und 1945 erinnert.
Trotz winterlicher Kälte und Schneeschauer fanden an die 100 Personen am Samstag den 11. März ihren Weg zur Burg Hohnstein. Unter den Anwesenden waren Kinder und Enkel von Häftlingen des frühen Konzentrationslagers: Gisela Heiden, Gabriele Hahn, Gisela Plessgott, Ernestine Reekmann und Roland Hering.
Zu Beginn der Veranstaltung richtete der Hohnsteiner Bürgermeister Daniel Brade seinen Dank und seine Anerkennung an die Arbeit zur Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte der Burg Hohnstein. Er verwies auf die Notwendigkeit, das Gedenken lebendig zu halten und damit auch zur Lebendigkeit der Burg beizutragen. Unter der musikalischen Begleitung des antifaschistischen Chors Pir-Moll aus Pirna wurden an der Gedenksäule vor den Toren der Burg eine Vielzahl an Kränzen abgelegt. Im Durchgang zur Burg, wo ab 1947 eine große Gedenktafel an die auf der Burg ermordeten Personen zu finden war, sammelten sich anschließend die Besucher*innen um den ersten Teil der Führung zur Geschichte des Gedenkens auf der Burg Hohnstein zu hören. An Hand von Fotos und Zeitzeug*innen-Berichten zeichneten Katharina Wüstefeld und Steffen Richter (AKuBiZ) nach, wie sich das Erinnern auf der Burg veränderte: Nach aktueller Forschung begann die Geschichte des Erinnerns am 11. Mai 1947 mit einem Treffen ehemaliger Häftlinge des KZ Hohnstein. Es war der Beginn vor Ort an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern und dafür zu kämpfen, die Burg wieder zu einem Ort solidarischen Miteinanders zu machen. Einige Jahre später wurde der Burg der Name Jugendburg Ernst Thälmann verliehen und eine Gedenkstätte in der Burg eingeweiht. Am Eingang vor der Burg wird am 2. Juli 1961 ein zentrales Mahnmal errichtet, das der Dresdner Bildhauer Wilhelm Landgraf schuf.
Weiterlesen: Rückblick: Gedenkveranstaltung in Hohnstein am 11. März 2023
Anlässlich der 90. Jährung der Machtübergabe an die Nationalsozialisten in Deutschland und der damit einsetzenden Gewaltherrschaft unter anderem in Form von willkürlichen Verhaftungen, Morden, Bücherverbrennungen und der Errichtung früher Konzentrationslager startet der AKuBiZ e.V. ein neues Projekt.
Im Projekt soll den Ereignissen des Jahres 1933 im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge nachrecherchiert und die Ergebnisse in einer Chronik veröffentlicht werden. Neben den durch lokale Geschichtsinteressierte bereits erforschten Ereignissen des Jahres 1933, wie den Bücherverbrennungen in Pirna und Sebnitz oder den frühen Konzentrationslagern auf der Burg Hohnstein und in Königstein-Halbestadt, sollen auch neue Erkenntnisse gewonnen werden. Hierzu erfolgt eine umfangreiche Recherche in lokalen Zeitungen wie der „Zeitung für das Meißner Hochland und die südliche Lausitz“ und dem „Pirnaer Anzeiger“, mit der die Ereignisse im gesamten Landkreis zu Tage gefördert werden sollen.
Durch die Abbildung historischer Abläufe und deren Darstellung in der Gegenwart werden Bezüge zu heutigen menschenfeindlichen Tendenzen hergestellt. Damit soll eine Sensibilisierung bewirkt werden, die einen Beitrag zur Prävention faschistischer Ideologien leistet.
Neben der Veröffentlichung der Projektergebnisse in einer Chronik und den sozialen Medien (Twitter: gedenkplaetze | Instagram: gedenkplaetze.info | Facebook: gedenkplaetze) mit dem Hashtag #WegeInDieDiktatur umfasst das Projekt darüber hinaus die Visualisierung in Ausstellungen. Zum einen wird die Ausstellung „Verbrannte Orte – Orte der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen“ ab dem 9. März 2023 in den Räumlichkeiten des Vereins (Kulturkiste K2, Schössergasse 3 in Pirna) gezeigt werden. Im Rahmen der Ausstellungseröffnung wird ein Vortrag des Vereins Verbrannte Orte stattfinden.
Weiterhin wird am 11. März 2023, anlässlich des 90. Jahrestages der Errichtung des frühen Konzentrationslagers auf der Burg Hohnstein, in einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung der Stadt Hohnstein und unseres Vereins eine neue Ausstellung zur Geschichte der Burg zwischen 1924 und 1945 auf dieser im Rahmen einer Gedenkveranstaltung eröffnet werden. Die Ausstellung wurde im letzten Jahr durch Mitglieder unseres Vereins erarbeitet und durch eine Spendenkampagne finanziert.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Ab sofort könnt ihr im Onlineshop die erste Auflage des Tagebuch des Jan Deremaux, welches wir letztes Jahr in einem Jahresprojekt recherchieren und mit Hilfe von Eric van der Most erstellen durften, kaufen. Weiterhin ist das Rote Bergsteiger-Buch auch im Onlioneshop erhältlich.
Bitte beachtet, dass wir nur Vorkasse bzw. Paypal als Zahlungsmethode akzeptieren können.
Hintergrund:
Jan Deremaux war Soldat der niederländischen Armee, die nach dem deutschen Überfall im Mai 1940 kapitulierte. Bis 1943 konnte er bei einer Behörde für Eisen und Stahl in den Niederlanden zivil arbeiten und wurde 1943 erneut in Kriegsgefangenschaft genommen. Über Armersfort, Altengrabow und Mühlberg kam er in das Stalag IV A in Hohnstein und musste im Arbeitskommando 1112 (Heidenau Radrennbahn) und später im Arbeitskommando 1243 (Pirna) arbeiten.
Aus seinen Notizen während der Gefangenschaft hat Jan Deremaux sein Tagebuch verfasst. Dokumentiert ist weiterhin der fast vollständige Briefwechsel mit seiner Familie.
Im Buch wird in Extrakapiteln auf das Kriegsgefangenwesen der Deutschen Wehrmacht, die spezifische Situation der niederländischen Kriegsgefangenen und auf die Systematik der Zwangsarbeit eingegangen. Weiterhin wird Jan Deremauxs Bruder, der Widerstandskämpfer Martinus Johannes Maria (Tini) Deremaux, vorgestellt.
Das Buch wurde gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und die Stiftung Sächsische Gedenkstätten, sowie mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Seit über 10 Jahren sind wir mit unseren Geschichtswanderungen in der Region unterwegs. Den Anstoß dazu gab 2008 der Dresdner Bergsporthistoriker Joachim Schindler. Bei einem ersten Treffen in der Berggaststätte auf dem Rauenstein erzählte er uns von Widerstand und Verfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus. Auf den ersten Touren waren wir mit ihm unterwegs. Bis heute unterstützt er als Experte unsere Arbeit in diesem Bereich.
Auch im vergangenen Jahr durften wir wieder eine ganze Reihe toller Menschen durch die Region begleiten und mit ihnen über die Zeit während des Nationalsozialismus sprechen. Insgesamt waren auf 12 Wanderseminaren mehr als 250 Menschen mit uns unterwegs. Die erste Tour fand bereits Ende Februar statt, den Abschluss bildete eine Wanderung Mitte November. Mit 5 Wanderseminaren war Hohnstein der gefragteste Ort, dicht gefolgt von Altenberg mit 4 Touren. Jeweils ein Seminar fand in Schöna, Struppen und Pirna statt.
Darüber hinaus begleiteten wir Gruppen auf Führungen durch die Burg Hohnstein sowie Stadttouren durch Dresden und Pirna. Die Gäste mit den weitesten Anreisewegen kamen aus den USA und den Niederlanden. Wir haben auf unseren Touren geschwitzt, gesungen, gestritten, gelacht, gefroren, diskutiert und analysiert. Das hat uns bereichert und, Erkenntnisse gegeben.
Leider konnten wir auch einige Anfragen nicht annehmen, da wir die Grenzen unseren Ressourcen erreichten. Dies tun wir aber gern, denn Wanderungen mit euch bringen uns immer wieder großen Spaß – danke für euer Interesse.
Im nächsten Jahr wird es recht ähnlich aussehen. Leider sind die Termine bereits jetzt weg. Das heißt aber nicht, dass ihr auf den einzelnen Touren keine Plätze mehr findet. Nur weitere Termine können wir nicht anbieten. Bereits jetzt sind 9 Touren gebucht, und mehr sollen es 2023 auch nicht werden. Wir haben viele andere spannende Projekte, die unsere Aufmerksamkeit brauchen.
Veranstaltung zum 100. Geburtstag der jüdischen Bergsteigerin Ilse Frischmann
Ilse Frischmann, die 1922 in Dresden geboren wurde, gehörte in den 30er-Jahren zu den besten Bergsportlerinnen in der Sächsischen Schweiz.
Als Jüdin war sie in Nazi-Deutschland vielen Repressionen ausgesetzt, durfte nicht zur Erholung in die Berge fahren. Immer wieder wurde sie deshalb heimlich von Freund*innen mitgenommen und unternahm mit ihnen Bergtouren. Zwischen 1940 und 1943 bestieg die junge Ilse Frischmann die schwierigsten Kletterwege in der Sächsischen Schweiz.
Nachdem die Familie Frischmann zur Zwangsarbeit gezwungen wurde, verschleppten sie die Nazis 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz. Sie überlebte, und kehrte nach der Befreiung nach Dresden zurück. Hier verstarb sie am 5. Juli 2009.
Am 27. September 2022 wird der Dresdner Historiker Joachim Schindler in der Pirnaer K2 Kulturkiste (Schössergasse 3) ihr Leben nachzeichnen. Der Vortrag beginnt 17 Uhr und ist kostenfrei.
Am 16. September 2022 verstarb unser Freund und Unterstützer Hugo Jensch in Pirna.
Wir sind in Gedanken bei seiner Familie und nehmen in Trauer Abschied.
Hugo Jensch wurde 1928 in einem kleinen Vorort von Łódź in Polen geboren. Im Alter von 22 Jahren kam er als Geschichtslehrer nach Pirna. Von 1984 bis 1991 war Hugo Jensch Kreisfachberater für Geschichte im Kreis Pirna und veröffentlichte eine Reihe von Arbeiten zur Kreisgeschichte.
Insbesondere ist ihm die langjährige Recherche zur Geschichte der Jüdinnen* und Juden* in der Region zu verdanken. So veröffentlichte er 1997 sein Buch „Juden in Pirna“ und arbeitete an der Ausstellung „Juden in Sachsen“ (2002, HATiKVA e. V.) mit. Hugo Jensch führte auch im hohen Alter noch geschichtliche Stadtführungen in Pirna durch und schrieb das Vorwort für das Buch „Vor allen Dingen war ich ein Kind“ seines Freundes Esra Jurmann.
Unsere Zusammenarbeit begann vor mehr als 15 Jahren. Zunächst war er immer wieder als Vortragsredner bei uns eingeladen. Er begleitete die Ausstellungstour „Juden in Sachsen“ und sprach regelmäßig anlässlich der „Wochen gegen Antisemitismus“. Später war er als Berater maßgeblich an der Erstellung unserer Ausstellung „Jüdisches Leben in Pirna und der Sächsischen Schweiz“ und des dazugehörigen Stadtplans beteiligt. Noch vor wenigen Wochen waren wir bei ihm zu Besuch und er vertraute uns einen großen Teil seiner Büchersammlung an, den er weiterhin öffentlich zugänglich wissen wollte.
Mit seinem Engagement und seinem historischen Wissen war Hugo Jensch ein Vorbild für unser Wirken und ein wichtiger Unterstützer unserer Arbeit.
Die Stadt Pirna und der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verlieren mit Hugo Jensch einen kritischen und streitbaren Menschen, dessen Veröffentlichungen einen wichtigen Teil zur Bearbeitung der Geschichte während des Nationalsozialismus beigetragen haben. Von seiner wertvollen Arbeit zeugt neben zahlreichen Veröffentlichungen auch die Website www.geschichte-pirna.de, auf der Hugo Jensch seine eigenen und weitere Texte zu Geschichte der Region zur Verfügung stellte.
AKuBiZ e. V.
Pirna, 17. September 2022
Foto: @Rappelsnut