Im Juni 2019 wurde ein Aufruf bekannt, in dem sich - sollte es reichen - für eine sächsische Koalition zwischen den GRÜNEN, der LINKEN und der SPD ausgesprochen wurde. In eurem Aufruf sagt ihr, dass ihr für ein "progressives Sachsen werben" möchtet. Außerdem betrachtet ihr ein "rot-rot-grünen Bündnisses als Chance, uns mit klarer Haltung gegen eine drohende blau-schwarze Regierung zu stellen." Die Unterschrift zu #umkrempeln haben bisher rund 1400 Menschen gegeben.
1. Seid ihr mit dem Start eurer Kampagne zufrieden?
Wir haben uns riesig über die vielen positiven Rückmeldungen gefreut! Die vielen Unterzeichner*innen, die in den ersten Stunden gleich mal unser Formular lahmgelegt haben, haben uns total darin bestätigt, dass es endlich an der Zeit ist auch offensiv über ein progressives Bündnis jenseits der CDU zu sprechen.
2. Wenn wir das richtig beurteilen, seid ihr überwiegend junge Menschen die nun für r2g werben. Eure Parteien haben vermutlich bewusst das Thema Koalition umschifft. Wie dankbar waren euch eure Parteispitzen und Fraktionskolleg*innen, dass ihr für sie die Richtung vorgegeben habt?
Inzwischen gibt es ja von allen drei Parteien Aussagen und Beschlüsse, die progressive Koalitionen befürworten. Dass die sächsische CDU die immer weiter nach rechts rückt dürfte auch noch dem Letzten aufgefallen sein. Klar gab es hier und da auch Missfallen gegenüber dem Projekt selbst oder der Art der Veröffentlichung. Parteien sind ja auch dadurch geprägt, dass nicht alle die selbe Meinung haben. Insgesamt haben wir aber vor allem positive Rückmeldungen auch aus den Parteien bekommen.
3. Ihr seid ja nicht die Ersten, die per Aufruf für r2g werben (zum Beispiel: Sachsen Kippt!). Warum braucht es euren erneuten Aufruf und was unterscheidet ihn von anderen?
Wir sind nicht die ersten und das zeigt ja, dass sich viele Menschen in Sachsen eine Regierungsoption jenseits von schwarzbraun wünschen. Als Konkurrenz sehen wir uns überhaupt nicht, eher als Ergänzung. Die sechs Akteur*innen die unseren Aufruf initiierten haben sich getroffen, weil wir es ziemlich satt hatten, dass nur noch von irgendwelchen Behelfskonstellationen gesprochen wurde, um Faschist*innen an der Regierung zu verhindern. Klar wollen wir, dass r2g eine reale Option wird, damit es keine rechte Regierung gibt. Aber wir wollten vor allem Perspektiven zeigen und darüber diskutieren was alles möglich wäre, wenn Parteien zusammen in der Mehrheit im Parlament sind, die wirklich einen sozialen, ökologischen und demokratischen Gestaltungswillen haben. Es ist wichtig für uns zu zeigen, welche Projekte möglich wären, damit sich die Mehrheiten in Sachsen auch irgendwann tatsächlich ändern. Eins von vielen Beispielen wäre die Einführung einer Gemeinschaftsschule für die sich alle drei Parteien ausgesprochen haben. Wir freuen uns, wenn unser Aufruf nicht der letzte in diese Richtung wäre, sondern noch einige mehr folgen.
4. Wer die Unterstützer*innen-Liste ansieht, wird erkennen, dass es eine starke Tendenz aus den großen Städten - insbesondere Leipzig - gibt. Von Parteimitgliedern aus dem ländlichen Raum is immer wieder von "Connewitzer Debatten, die im ländlichen Raum niemand versteht" zu hören. Wie wollt ihr den Aufruf im ländlichen Raum als Kampagne führen und gestalten?
So ganz stimmt das ja nicht. Es sind nicht nur Menschen aus den Großstädten die unsere Initiative unterstützen, demnächst werden wir auch einige Unterstützer*innen aus dem ländlichen Raum auf unseren Kanälen vorstellen. Unsere Initiator*innen waren und sind zum Teil im ländlichen Raum politisch aktiv. Natürlich ist es auf dem Land noch viel schwerer eine r2g Option als reale Option zu handeln. Wenn man jahrelang mit CDU und AfD Übermacht in Räten und in der Nachbarschaft lebt, klingt so ein r2g Projekt natürlich erstmal ziemlich utopisch. Aber wir haben bei den letzten Wahlen gesehen, dass die Wahlergebnisse auch in Sachsen nicht mehr in Stein gemeißelt sind. Diskussionen am Abendbrottisch brechen auch im ländlichen Raum alte Feindbilder von verrückten Weltverbesser*innen auf. Deshalb sind wir auch außerhalb der Großstädte mit Engagierten im Gespräch darüber, wie man noch mehr Menschen für progressive Politik begeistern kann.
5. Ein sehr großer Teil der Unterstützer*innen gibt an, im Bereich der Sozialen Arbeit aktiv zu sein. Ist das der Bereich mit den größten Problemen in Sachsen oder wie erklärt ihr euch diese Tendenz?
Es ist sicher ein Bereich in dem ganz schön was im Argen liegt. In Sachsen ist das leider an vielen Stellen der Fall. Und da sich Soziale Arbeit über alle Lebensbereiche erstreckt, ist diese natürlich auch stark betroffen. Da geht es erst mal um grundlegende Dinge, wie langfristige und ausreichende Finanzierungen für Träger und Projekte. Unser Eindruck ist, dass sich viele Regionen immer noch nicht von dem heftigen Kürzungshammer 2010/11 erholt haben, als Mittel für soziale Projekte oder im Bildungsbereich von Schwarz-Gelb massiv gekürzt wurden und viele vor dem Aus standen. Das hat insbesondere im ländlichen Raum erhebliche Lücken hinterlassen. Das waren schlimme Einschnitte in unsere zivilgesellschaftliche Struktur, die wir bis heute ausbaden.
6. Der erste Schritt ist getan, doch nun beginnt in Sachsen die Sommerpause... Was können wir in den nächsten Wochen von #umkrempeln erwarten?
Das Ziel unserer Initiative war es aktiv eine r2g-Option ins Spiel zu bringen und das ist uns schon mal ganz ordentlich gelungen. Wir werden das im Wahlkampf auch weiter nach außen tragen und immer wieder darüber sprechen. #umkrempeln ist keine geschlossene "Kampagne" von irgendwelchen elitären Parteileuten, sondern von Anfang an offen und nutzbar. Es ist ein Schlagwort, unter dem alle gern weitermachen dürfen, um das Grundanliegen zu supporten und weiter zu entwickeln. Wir freuen uns natürlich wahnsinnig über Unterstützer*innen, die das in ihren jeweiligen Positionen auch tun und können nur dazu ermuntern, sich nicht von Umfragen unterkriegen zu lassen. Niemand kann wissen wie es nach dem ersten September aussieht.
7. Gibt es noch etwas, was ihr gern mitteilen möchtet? Dann habt ihr jetzt hier noch die Möglichkeit dazu.
Uns ist es wichtig, dass mehr Leute darüber ins Gespräch kommen, warum sie wollen, dass r2g eine Mehrheit bekommen sollte, welche Projekte ihnen wichtig sind und was sich in ihren Augen dringend ändern muss. Das kann sich gar nicht nur in den Großstädten abspielen. Wir brauchen nicht nur eine Leipziger Debatte, sondern auch die Schwarzenberger und die Bautzener ;) Wir sollten uns alle trotz massiver Nazipräsenz nicht den Mut nehmen lassen, darüber zu diskutieren, wie wir uns das gute Leben in der Gesellschaft wünschen und welche Veränderungen es dafür braucht.