Unser Redebeitrag zur Demo "Pirna ist bunt" am 24.8.
Es sind nur noch wenige Tage bis zu den Landtagswahlen. Die Prognosen sind besorgniserregend, sie lassen uns wütend und auch ein Stück resigniert zurück. Es ist für uns unverständlich, wie eine so große Menge an Menschen dazu bereit ist, eine Partei zu wählen, deren Menschenverachtung offen auf ihren Wahlplakaten zu lesen ist.
Wir wissen, dass wir trotzdem viele sind, die sich dem entgegenstellen. Aber wir müssen uns auch eingestehen, dass wir aktuell nicht „mehr“ sind.
Die Wahlprognosen sind die Zahlen, die uns schwarz auf weiß zeigen, was viele von uns im Alltag erleben. Arbeit, Schule, Supermarkt, Sportverein usw. Überall begegnen uns Aussagen, die uns erschaudern lassen. Aussagen, die viel zu oft unwidersprochen bleiben. Wir sehen, hören und erleben Gewalt, Ablehnung, Menschenverachtung, von der behauptet wird, es sei einfach eine „Meinung“. Als sei es völlig normal und legitim, Menschen ihre Menschlichkeit zu nehmen. Rechtsruck findet nicht nur in den Parlamenten statt und er geht auch nicht nur von Parteien aus.
Und was können wir dagegen tun?
Natürlich rufen wir alle dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es wäre falsch, sich von Frustration und Resignation völlig lähmen zu lassen. Denkt bei eurer Wahlentscheidung auch an die, die kein Wahlrecht haben, obwohl sie ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Denkt daran, dass die Wahlergebnisse ganz reale Auswirkungen auf unser Leben haben werden.
Das gilt auch dann, wenn Faschist*innen ihren Weg in die Parlamente finden. Und auch dann, wenn Parteien, denen im Grunde nichts an Demokratie liegt, demokratisch gewählt werden.
Einige von euch haben vielleicht von dem Rechtsgutachten gehört, in dem es um das sogenannte Neutralitätsgebot geht. Darin geht es unter anderem darum, dass die Verteidigung ethischer Werte und Verfassungsziele auch dann notwendig ist, wenn sie von nicht verbotenen Parteien bedroht werden.
Das Gutachten ist aber aus weiteren Gründen eine ganz gute Gelegenheit, sich und das Verhältnis zu Demokratie zu befragen. Der Verfasser kommt nämlich zum Schluss, dass Demokratie nicht neutral sein muss. Und es auch gar nicht sein kann. Demokratie ist untrennbar mit Menschenwürde und Grundrechten verbunden. Im Gutachten geht es um Demokratiearbeit und Projekte, für die dieses Gutachten ungemein wichtig ist. Wir können aber auch für unseren Alltag etwas daraus mitnehmen: nicht jede sogenannte Meinung muss akzeptiert werden, wenn sie sich gegen demokratische Grundprinzipien richtet und es muss auf sie auch nicht neutral reagiert werden. Wir können und müssen widersprechen, auch das ist Demokratie. Dieses Verständnis geht über Demokratie als Akt des Wählens hinaus. Demokratie ist praktisch, wir können und müssen sie jeden Tag leben, nicht nur am Wahltag. Wir sagen, Demokratie ist auch antifaschistisch, weil wir vielleicht nicht „mehr“ sind, aber wir sind solidarisch. Mit uns und mit allen, die von den Faschist*innen bedroht werden. Und wir haben uns. Wir lassen uns nicht darauf ein, Feindbilder zu fantasieren und uns mit einfachen Antworten auf komplizierte Probleme zufrieden zu geben. Sie haben Hass und Gewalt, wir haben Solidarität und die Hoffnung auf ein gutes Leben für alle.