Von 17. bis 19. Juli 2020 fand unsere 13. Rote-Bergsteiger-Wanderung statt. Diesmal waren wir mit den 40 Teilnehmenden im Jugendgästehaus Liebethal einquartiert, welches der perfekte Startpunkt für unsere Touren war. Am Freitag Abend begann des Wanderseminar mit dem Film "Wilde Gesellinnen" und einem Einführungsvortrag zur jüdischen Bergsteigerin Ilse Frischmann, den uns Joachim Schindler zur Verfügung stellte. Der Dresdener Bergsporthistoriker ist langjähriger Begleiter unserer Wanderungen und gab uns die ersten Impulse für diese Veranstaltungsreihe. Das Pirnaer Restaurant Platzhirsch unterstützte uns mit einer himbeerigen Abendversüßung.
Einen Tag später machten wir uns auf eine rund 14 Kilometer lange Tour entlang der Wesenitz. Vorbei an der Liebethaler Mühle, der Lochmühle, der Daubemühle, der Lohmener Vordermühle und der Wauermühle führte unser Weg nach Porschendorf. Dort an der ehemaligen Porschendorfer Papierfabrik sprach Kevin Holweg vom Projekt "Lebensspuren" der AG Asylsuchende über die Geschichte der Familie Scooler. Die Familie betrieb eine Papierfabrik und führte auch Ferienlager für jüdische Kinder aus Dresden durch. Die Familie wurde im Nationalsozialismus verfolgt. Rose und Sohn Walther Scooler überlebten den Holocaust, ihr Sohn Werner nicht. Zusammen mit seiner Frau Liesel und ihrem 4-Jährigen Sohn Dan wurden sie nach Riga deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Wir besuchten den Scooler-Felsen und die Gedenktafel an der Villa Rose. Sie trägt den Namen in Erinnerung an die jüdische Besitzerin Rose Scooler, die in ihrer Zeit im KZ Theresienstadt auch dichtete. Eine kurze Botschaft sendete uns per Video die 98-Jährige Liesbeth Binder, die als juge Frau im Büro der Firma arbeitete und die Vertreibung der Familie Scooler erlebte.
Im Abendprogramm stand ein Auftritt des Pirnaer Laienchores Pir-Moll. Mit Liedern aus Konzentrationslagern und dem Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus, war es ein gelungener Abschluss des Tages.
Am Sonntag verlief unsere Route von Liebthal über Bonnewitz, nach Wünschendorf und oberhalb von Porschendorf zurück nach Liebethal. Auf der 10 Kilometer langen Strecke gab es am Stolperstein für den Pädagogen Martin Kretschmer Informationen zur Geschichte seiner heilpädagogischen Einrichtung. Im Sommer 1935 kam er nach Pirna, um eine Einrichtung für geistig behinderte Menschen zu eröffnen. Dazu kaufte er die alte Villa in Bonnewitz, die im Besitz der Stadt Pirna war. Fast sechs Jahre gelang es ihm, das Haus zu führen und so auch Menschen eine Bleibe zu geben, die von den Nazis verfolgt wurden. Dazu gehörte die Berliner Geigerin Gerda Bischof, die in Bonnewitz als Lehrerin arbeiten konnte. Im Sommer 1941 geriet Martin Kretschmer dann ins Visier der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), die ihn verhaftete und ins Polizeigefängnis Dresden brachte. Von dort aus deportierten sie ihn ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Im Außenlager Klinkerwerk starb er dann am 19. Februar 1942.
In Wünschendorf, am Gedenkstein, der an die Befreiung des Ortes durch die Rote Armee erinnert, berichteten wir über die Ereignisse während der Zeit um den 8. Mai 1945. Es ist beispielsweise durch Zeitzeug*innen überliefert, dass im Liebethaler Grund Sprengsätze angebracht waren, die das weitere Vorrücken der Roten Armee aufhalten sollten. Die Sprengsätze konnten noch vor Eintreffen der sowjetischen Truppen durch Liebetahler*innen wieder entfernt werden. Auch hörten wir einen Auschnitt aus einem Zeitzeug*innenbericht eines Pirnaer Antifaschisten, der das Eintreffen der Roten Armee in Pirna Jessen beschreibt.
Am Sonntagnachmittag endete unser Seminar mit der Verabschiedung der Teilnehmenden wieder in Liebethal.