„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ David Ben-Gurion
Für einige Tage befanden wir uns vom 30. März - 06. April auf dem Fachkräfteaustausch „Living Diversity“ in Israel. Mit uns waren weitere Engagierte der Sozialen Arbeit aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Veranstaltet wurde die Fahrt durch die djo-Deutsche Jugend in Europa Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. und ihren Partner*innen des Jugendzentrums in Tuba Zangaria.
Die beiden ersten Tage verbrachten wir in Tel Aviv. Die alte Hafenstadt ist nicht nur heimliche Hauptstadt, sondern auch das weltweit größte Zentrum von Gebäuden im Bauhaus-Stil. Nach dem Einführungsvortrag zur Geschichte des Staates Israel und wichtigen Informationen zum heutigen Leben bekamen wir eine Stadtführung. Über die moderne Stadt Tel Aviv gelangten wir zum Strand und von da ins über 3000 Jahre alte Jaffa. Auf dem Weg dahin, hielten wir auch an einem kleinen Denkmal in Strandnähe. Dort verübte am 1. Juni 2001 ein junger Palästinenser vor einer Diskothek einen Sprengstoffanschlag. Bei diesem Selbstmordattentat starben 21 Menschen, ihre Namen sind auf dem Gedenkstein zu lesen. Den letzten kurzen Stopp, nach rund 14 Kilometer Stadttour, machten wir an der Independence Hall. Hier verlas David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeitserklärung Israels. Darin hieß es unter anderem: „Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.“
Hier in Tel Aviv-Jaffa zeigt sich uns erstmalig, dass Israel ein interkulturelles Land ist, in dem ein gutes Zusammenleben möglich ist. Fragten wir junge Menschen – egal welcher Religion sie sich zugehörig fühlten – nach den besten Städten Israels, war die Antwort entweder Tel Aviv-Jaffa oder Haifa. Jerusalem gilt als miefig und konservativ.
Die folgenden beiden Tage lernten wir eben dieses Jerusalem kennen. Mit dem Bus ging es dabei rund 70 Kilometer westlich an die Grenze zum Westjordanland. Jetzt wird deutlich, was wir bereits in Tel Aviv hörten. Die Militärpräsenz ist höher, die Stadt wirkt touristischer. Viele religiöse Reisende sind in traditioneller Kleidung unterwegs. Doch bevor wir uns der Altstadt näherten, führte uns der Weg in den Norden Jerusalems. Dort befindet sich die Yad Vashem, die „Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust“. Über 2 Millionen Menschen besuchen jährlich diesen Ort, der an die Verbrechen der Nazis erinnert und verschiedenen Formen des Widerstandes gedenkt. Auch hier zeigt sich die Komplexität der israelischen Geschichte. Viele strenggläubige Jüdinnen und Juden lehnen den modernen Staat Israel ab. Im Juni 2012 beschmierten drei ultra-orthodoxen Juden die Mauern der Gedenkstätte. In großen Buchstaben sprühten sie unter anderem „Die Zionisten wollten den Holocaust“ und „Hitler, Danke für den Holocaust“.
Der Besuch der Yad Vashem ist ein Muss für Israel-Reisende, die Ausstellung bewegend und die Begehung der Gedenkplätze im Außenbereich zeitintensiv. Besonders emotional ist dabei sicher die das Denkmal für die Kinder, welches 1987 errichtet wurde. Fünf Kerzen werden so reflektiert, dass die Nachbildung eines Sternenhimmels zu sehen ist. Über Lautsprecher werden in einem Endlosband die Namen der ermordeten Kinder vorgelesen. Es braucht dabei drei Monate, um alle Namen einmal wiederzugeben.
Einen Tag später folgte der Besuch der Jerusalemer Altstadt. Ein riesiger Markt bietet sich beim Eintritt durch das Jaffa-Tor. Durch enge Gasse und volle Verkaufstische ging es für uns zur Klagemauer und über den Tempelberg zur Grabeskirche. Geballte religiöse Überladung - gepaart mit allen Sünden des Tourismus. Hier werden sich alle Teilnehmenden ihr ganz eigenes Urteil gebildet haben.
Die restlichen Tage verbrachten wir in Tuba Zangaria, einer von Beduinen bewohnten Gemeinde in Obergaliläa. Hier im Norden besuchten wir die Sozialarbeiter*innen des lokalen Jugendzentrums. Mit ihnen führten wir Workshops zu den Themen „Erlebnispädagogik“ und „Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen“ durch. Daneben lernten wir das Hula Naturreservat, das Museum Rosh Pina und die Junior-High-School kennen. Für uns alle war sicher die Reiteinheit ein Highlight – schon allein deshalb, weil niemand von uns bisher wirkliche Erfahrungen sammelte. Mit Kaffee und Blumen wurden wir auf dem Reiterhof begrüßt, um dann über einen Kilometer zu einem Aussichtpunkt, mit Blick auf die Golanhöhen, zu reiten. Zurück auf der Ranch, gab es dann selbstgebackenes Brot und Hummus. Im Anschluss lernten wir Bewohner*innen der Gemeinde kennen, besuchten die Moschee des Ortes und waren per Rad um den Chulasee unterwegs. Das dortige Gebiet wurde 1964 als erstes Naturreservat Israel gegründet. Auf kleinen Aussichtspunkten waren viele Wasser- und Zugvögel zu sehen, außerdem eine beachtliche Zahl an Nutrias. Die angekündigten Pelikane und Wasserbüffel zeigten sich uns leider nicht.
Es war ein wirkliches tolles Erlebnis, die Reise war perfekt organisiert und die Gruppe toll zusammengestellt. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr, wenn die Freund*innen aus Tuba Zangaria nach Deutschland kommen.