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Die hier zu sehende Ausstellung „Jüdische Geschichte in Kunst und Kultur im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge“ ist eine Erweiterung der Ausstellung „Jüdisches Leben in Pirna und der Sächsischen Schweiz“ aus dem Jahr 2012. Die ursprüngliche Ausstellung basierte auf dem Buch des Pirnaer Historikers Hugo Jensch „Juden in Pirna“. Ohne dessen Vorarbeit und Hilfe wäre die Ausstellung in dieser Form nicht denkbar gewesen. Der Fokus lag damals vor allem auf der Darstellung jüdischen Lebens in Pirna sowie Antisemitismus und Ausgrenzung im 20. Jahrhundert.
Die Erweiterung legt den thematischen Fokus auf Kunst und Kultur und ergänzt die bestehende Ausstellung zudem um andere Orte im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.

Jüdische Ansiedlungen auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen haben bereits ab dem 11. Jahrhundert existiert. Die Judenordnung des Markgrafen von Meißen von 1265 ist ein Hinweis für das Vorhandensein von großen jüdischen Gemeinden. Für Pirna ist die früheste Erwähnung aus dem Jahr 1559 bekannt. Darin wird Samuel Schmohel die Niederlassung in Pirna gewährt. Über die Jahrhunderte hinweg gehörten Jüdinnen_Juden zu den Städten und Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Sachsens und waren gleichzeitig von Ausgrenzung, Verfolgung und Gewalt bedroht. Während einige durch ihre Berufe Anerkennung und Wohlstand erlangten, lebten andere ein ärmliches und einfaches Leben. In den jüdischen Gemeinden gab es Handwerker_innen und Tagelöhner_innen, arme und reiche Familien.

Die Aufklärung und die damit verbundene Entwicklung einer bürgerlichen Gesellschaft machten Kultur und Bildung zu einem wichtigen Faktor der Zugehörigkeit zum Bürgertum. Der Handel, das Sammeln und Fördern von Kunst waren in bürgerlichen Kreisen eine Selbstverständlichkeit, was auch für das jüdische Bürgertum galt. Im Laufe der Jahrhunderte haben Jüdinnen_ Juden Kunstwerke in allen Bereichen der bildenden und darstellenden Künste geschaffen.
Durch den zunehmenden Antisemitismus in der Weimarer Republik wurde die Rolle von Jüdinnen_Juden in der Kunst, u. a. durch NationalsozialistInnen und Deutschnationale, in Frage gestellt. Bereits 1928 wurde von den NationalsozialistInnen der Kampfbund für deutsche Kultur gegründet. Dieser völkisch gesinnte und antisemitische Verein hatte einen hegemonialen Anspruch auf den deutschen Kulturbegriff und versuchte, Jüdinnen_Juden aus dem kulturellen Leben auszuschließen.

Was in der Weimarer Republik begann, wurde nach der Machtübergabe an die NationalsozialistInnen 1933 weiter ausgebaut. Mit der Gründung der Reichskulturkammer wurde der gesamte Kulturbetrieb gleichgeschaltet und ideologisch und organisatorisch der NSDAP untergeordnet. Jüdinnen_Juden wurde die Berufsausübung im Kulturbetrieb verboten. Tätig sein durfte nur noch, wer „geeignet“, „zuverlässig“ und „arisch“ war. Kunst und Kultur wurden zum staatlichen Unterfangen. Die nicht angepassten Künstler_innen konnten fortan nur noch im Exil, im Privaten oder gar im Verborgenen ihrem Wirken nachgehen. Kunstund Kulturgüter in jüdischem Besitz fielen den unzähligen Enteignungen zum Opfer.
Im Rahmen der Provenienzforschung wird versucht, enteignete Kunstwerke und Sammlungen an ihre ursprünglichen Besitzer_innen und deren Nachfahr_innen zurückzugeben sowie die Profiteur_innen der Enteignungen aufzudecken. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten einige jüdische Künstler_innen aus dem Exil zurück. Das Schaffen jüdischer Künstler_innen, auch in der Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, spiegelt die Vielfalt menschlichen und damit jüdischen Lebens wider.

Auf den folgenden Ausstellungstafeln werden fünf Personen vorgestellt, die auf unterschiedliche Weise Kunst und Kultur im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bereichert haben: Julie Hanusch als Malerin und Kunststickerin, Käthe Mickwausch als Grafikerin, Albert Hess als Musiker, Komponist und Fotograf, Max Zimmering als Schriftsteller und Rose Scooler als Dichterin. Neben den in der Ausstellung dargestellten Menschen gab es noch weitere jüdische Künstler_innen auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Aufgrund der ungenügenden Quellenlage können wir nur wenige porträtieren. Es fehlen die Folgenden:

  • Ilse Margot Nast (1888-1942) war Buchhändlerin. Sie lebte in Bannewitz.
  • Josefine Musseleck (1873-1942) war (Opern-)Sängerin. Sie lebte in Königstein. Werner Tabaschnik (1923-?) war freiberuflicher Schriftteller in der DDR. Er lebte in Pirna.
  • Edgar Riesen (?-1939/40) war Musiklehrer sowie Organist und Mitglied des Synagogenchors der Israelitischen Religionsgemeinde Dresden. Er lebte in Tharandt.

Wir danken ganz herzlich den Teilnehmer_innen der Geschichts- werkstätten, die inhaltlich, gestalterisch und organisatorisch an der Ausstellung mitgewirkt haben. Wir danken der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, die dies durch ihre finanzielle Unterstützung möglich gemacht hat.

Julie Hanusch

Julie Winter (geb. 1878) wuchs als jüngstes von fünf Kindern in Haniowitz/Mähren in einer jüdisch-liberalen Familie auf. Ihre Geschwister waren Hugo (1869–1886), Karl (1870–1912), Ida (1872–?) und Bruno (1873–1942). Ihre Eltern waren Johanna (geb. Bermann, 1844–1891) und Heinrich Winter (1838–1922), der Brauereiund Gutsbesitzer war.

Malunterricht in Dresden und Hochzeit

Nach dem Tod ihrer Mutter 1891 wurde Julie Winter durch ihren Vater für drei Jahre in ein Mädchenpensionat nach Dresden geschickt. In dieser Zeit entwickelte sie ein Interesse für Malerei und Kunstgeschichte. Zudem nahm sie ersten Malunterricht. Zwischen 1903 und 1906 empfahl ihr Carl Bantzer, Professor an der Königlichen Kunstakademie in Dresden, privaten Malunterricht bei seinem Schüler Karl Hanusch (1881–1969) zu nehmen. Familie Winter unterstützte den jungen Künstler daraufhin materiell sowie finanziell. Später nahm Julie Winter Unterricht bei Reinhold Klaus (1881–1963) in Wien. Klaus war zwischen 1923 und 1945 Professor an der Kunstgewerbeschule in Wien. Seine Arbeiten fügten sich in das nationalsozialistische Kunstverständnis ein. Auch fertigte er während des Nationalsozialismus Propagandaarbeiten an. Aufgrund einer langjährigen Erkrankung ihres Vaters war Julie Winter viel auf Reisen, weshalb sie die schweren Malutensilien gegen Stickerei-Materialien eintauschte und seither ihre Malerei mittels Garn umsetzte. Sie wurde zu einer wichtigen Kunststickerin und veröffentlichte auch Artikel zu dem Thema.
Julie Winter und der nicht-jüdische Karl Hanusch heirateten im September 1923. Zu dieser Zeit war Hanusch bereits Direktor der Staatlichen Kunstschule für Textilindustrie Plauen. Sie lebten wohl auch in Plauen, zumindest war der Name von Karl Hanusch zwischen 1925 und 1933 in den Adressbüchern Plauens aufgeführt.

Beurlaubung des Ehemanns Karl Hanusch

Nach der Machtübertragung an die Nazis wurde im März 1933 in der nationalsozialistischen Zeitung „Der Freiheitskampf“ ein Artikel unter der Überschrift „Kunstbolschewismus“ abgedruckt. Der Artikel hetzte gegen moderne Kunstund Kulturbestrebungen in Plauen und gegen die von Karl Hanusch geleitete Kunstschule. Im Juni 1933 erhielt Karl Hanusch wegen des Vorwurfs des „Kunstbolschewismus“ eine Beurlaubung. Am 6. Juni wurden er und seine Kollegen Otto Lange, Johannes Avenarius und Wilhelm Heckrott in „Schutzhaft“ genommen und am 15. Juni 1933 wieder entlassen. Die Inhaftierung wurde damit begründet, dass die Beschuldigten ansonsten belastende künstlerische Arbeiten verstecken hätten können. Anfang März 1934 erhielt Karl Hanusch die endgültige Entlassung durch den Reichsstatthalter von Sachsen, Martin Mutschmann. Er wurde mit dem Verweis auf § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen. Gemäß diesem Gesetz konnten Beamte entlassen werden, die als politische Gegner_innen angesehen wurden. Ein weiterer Grund für die Beurlaubung und seine Entlassung war die Ehe mit Julie Hanusch. Beide verließen Plauen und zogen nach Niederhäslich/Freital in das Haus von Karls Eltern. 1938 erhielt Karl Hanusch zusätzlich Malverbot. Julie Hanusch verließ im selben Jahr Deutschland, um nicht weiter antisemitischen Gesetzen und Maßnahmen ausgesetzt zu sein. Sie ging zu Verwandten nach Brno/Mähren. Dort übernahm sie die Pflege ihrer Schwester. Am 15. März 1939 marschierte die Wehrmacht in die Gebiete der Tschechoslowakei ein, die im Rahmen des Münchener Abkommens noch nicht durch Nazi-Deutschland besetzt waren. Somit wurde die tschechoslowakische Republik zerschlagen: Während das slowakische Parlament die Slowakei für unabhängig erklärte und mit dem Deutschen Reich am 23. März 1939 einen sogenannten Schutzvertrag abschloss, wurde für die tschechischen Gebiete mittels „Führererlass“ vom 16. März 1939 das Protektorat Böhmen und Mähren ausgerufen, das seither dem Gebiet des sogenannten Großdeutschen Reichs zugerechnet wurde. Brno lag im tschechischen Gebiet, sodass Julie Hanusch fortan wieder dem nun legalen Antisemitismus und der Verfolgung durch die Deutschen sowie ihrer tschechischen Kollaborateur_innen ausgesetzt war. Zwischenzeitlich überlegten Julie und Karl Hanusch, in die USA auszuwandern, die deutsche Besetzung verhinderte das aber.

Deportation ins KZ Theresienstadt

Am 8. April 1942 wurde Julie Hanusch mit weiteren mehr als 920 Jüdinnen_Juden von Brno/Brünn ins KZ Theresienstadt deportiert. Die Bemühungen von Karl Hanusch, seine Ehefrau freizubekommen, scheiterten. Er schickte ihr jedoch Lebensmittelpakete. In ihren Erinnerungen äußerte sich Julie Hanusch zu ihrer Gefangenschaft im KZ Theresienstadt. So nahm sie 1942 an einem Klavierkonzert von Bernhard Kaff (1905–1944, ermordet in Auschwitz) teil, der einen stark beschädigten Flügel notdürftig reparierte und in den Turnsaal einer alten Schule stellen ließ. Auch von weiteren Konzerten und musikalischen Aktivitäten erzählt sie in ihren Erinnerungen.

Victor Klemperers Erinnerungen

Julie Hanusch überlebte die Shoah und kehrte im Juli/August 1945 zu ihrem Ehemann nach Freital zurück. Laut seinen Tagebucheinträgen lernte Victor Klemperer Julie und Karl Hanusch am 10. September 1945 kennen. Klemperer beschrieb Julie Hanusch bei diesem ersten Treffen als „altersverkrümmt, aber das verschrumpfte Gesicht sehr fein geschnitten, große blaugraue Augen, bedeutende Stirn, Jüdin“. Klemperer ging zudem auf die KZ-Erfahrungen von Julie Hanusch ein, die von Hunger, Arbeit und Tod geprägt waren. Ebenso wurde im Gespräch die Befreiung des KZ Theresienstadt am 8. Mai 1945 durch die Rote Armee thematisiert: Die Rote Armee wurde umjubelt und versorgte die Überlebenden sogleich mit Nahrungsmitteln. Zwischen Julie und Karl Hanusch und den Klemperers kam es zu regelmäßigen Treffen. Laut Victor Klemperer erlitt Julie Hanusch im Juni 1946 einen leichten Schlaganfall. Mitte August 1949 berichtete Klemperer von Julie Hanuschs Krebserkrankung, die nicht operabel sei. Julie Hanusch starb nach langer schwerer Krankheit am 31. Oktober 1949 in Freital.

Literatur

Ciml, Karin (2014): Der Maler Prof. Reinhold Klaus – Unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen Kunstlandschaft der Zwischenkriegszeit. Masterarbeit. Universität Wien. URL: https://phaidra.univie.ac.at/ detail/o:1312888 (abgerufen am 11.11.2024)
Flämig, Rüdiger (1996): Staatliche Kunstund Fachschule für Textilindustrie 1877–1945, Plauen/Vogtl. Plauen: Sebald Verlag. S.53–74; 94–97. Hegyi, Hannelore (1994): Nach dem Geschmack von Diktatoren. Berliner Zeitung. URL: https://www.berliner-zeitung.de/ar- chiv/die-aesthetik-der-hitler-und-der-sta- linzeit-in-zwei-wiener-ausstellungen-nach- dem-geschmack-von-diktatoren-li.877735 (abgerufen am 11.11.2024)
Institut Theresienstädter Initiative (2000): Theresienstädter Gedenkbuch. Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942–1945. Berlin: Metropol Verlag. S. 74.
Klementová, Táňa (2015): Bereit zur letzten Fahrt. Die Brünner Judentransporte 19411945. In: Mährisches Landesmuseum (Hg.): Im Leiden und im Kampf. Brünner Juden in schicksalhaften Momenten des 20. Jahrhunderts. Brünn: Mährisches Landesmuseum. S. 67–74.
Klemperer, Victor: So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945–1949. Nowojski, Walter (Hg., 1999). Berlin: Aufbau-Verlag. Klemperer Online. Tagebücher 1918–1959. Berlin: De Gruyter Oldenbourg.
Rödel, Anke (2006): Karl Hanusch (1889– 1969). Leben und Werk. Anlässlich seines 125. Geburtstages. Freital: Städtische Sammlung. Schneider, Gerlinde/Schneider, Klaus (2006): Karl Hanusch – ernst und heiter. Materialien zu Leben und Werk des Malers und Graphikers. Leun: Eigenverlag.
Stöver, Kerstin (2020): Kulturbolschewiki. Die Entlassung von Karl Hanusch, Johannes M. Avenarius, Otto Lange und Wilhelm Heckrott 1933 – eine Chronologie. In: Kunstschule und Spitzenindustrie in Plauen. Dresden: Sandstein Verlag. S. 72–75.

Abbildungen

Titelbild/Bild 1: Eine Seite aus dem tschechoslowakischen Ausweis von Julie Hanusch, unterschrieben mit ihrem Geburtsnamen vor September 1923, © SLUB Dresden / 43.8.4105
Bild 2: Arbeitsausweis von Julie Hanusch. Gestempelt am 8. April 1942, © SLUB Dresden / 43.8.4105
Bild 3: Nadelmalerei von Julie Hanusch: Tod und Ritter, Ort des Kunstwerkes: Kunstaustellung Kühl. Zeitgenössische Galerie und Kunsthandlung seit 1924 in Dresden.
Bild 4: Malerei von Julie Hanusch: Theresienstadt 42, © SLUB Dresden / 43.8.4105 Bild 5: Nadelmalerei von Julie Hanusch: Zwei Männer trugen an einer Stange eine Traube. In: Ingrid Wenskat: Malerei mit der Nadel von Julie Hanusch. Katalog zur Ausstellung in Dresden vom 7. April – 4. Mai 1968, © SLUB Dresden / 43.8.4105

Käthe Mickwausch

Käthe Mickwausch wurde am 25. Juni 1909 in Dresden als Käthe Irma Reiner geboren. Sie war das zweite Kind von Maximilian Reiner, der als österreichischer Staatsbürger jüdischen Glaubens Ende 1923 nach Heidenau kam. Dort eröffnete er Anfang 1924 das seinerzeit größte Kaufhaus der Amtshauptmannschaft Pirna. Käthes Mutter Elsa Emmy Dorothea Reiner, geborene Rösler, kam aus Berlin und trat vor ihrer Eheschließung zum jüdischen Glauben über. Käthe Reiners älterer Bruder Horst Wilhelm war am 1. Januar 1907 ebenfalls in Dresden zur Welt gekommen. Die Familie erhielt 1921 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit in Sachsen.

Schulzeit und Studium

Käthe Reiner besuchte ab 1915 in Mügeln (seit 1. April 1924 ein Ortsteil von Heidenau) die Volksschule und danach, von 1918 bis 1925, die Höhere Mädchenschule in Pirna, die sie mit Reifezeugnis abschloss. Zwischen 1919 und 1924 erhielt sie nach eigener Aussage Religionsunterricht bei einem Pfarrer. Zu dieser Zeit erlebte sie noch keine Diffamierung. Wer Jude war und wer nicht, sei bis 1933 in ihrem Umfeld kein Thema gewesen. Im Anschluss an ihre Schulzeit nahm sie von 1925 bis 1927 Malund Zeichenunterricht und besuchte bis 1931 die Fachklassen von Professor Erler und Professor Drescher an der Staatlichen Akademie für Kunstgewerbe in Dresden. Dort lernte sie im ersten Studienjahr ihren zukünftigen Ehemann Günther Mickwausch (geb. 16. Oktober 1908 in Dresden, gest. 1. Juni 1990 in Heidenau) kennen. Der Gebrauchsgrafiker erhielt im Dezember 1932 ein Stellenangebot als Technischer Zeichner bei dem Automobilunternehmen Horch in Zwickau. Im folgenden Jahr wechselte er als Karosseriegestalter in den Hauptsitz der Auto Union AG nach Chemnitz. Käthe Mickwausch arbeitete in den Jahren von 1931 bis 1933 freischaffend als Gebrauchsgrafikerin.
Im März 1933 verlobten sich die beiden und Käthe konvertierte, zu ihrem Schutz, wie sie hofften, zum evangelischen Glauben. Am 20. Mai 1933 fand dann die standesamtliche Trauung in Chemnitz statt.

Ausschluss aus der Reichskulturkammer und Berufsverbot

Bis zur Scheidung ihrer Mutter lebte Käthe Mickwausch faktisch nicht als Jüdin erkannt und registriert. Mit der Scheidung der Mutter in den frühen 1940er Jahren aber war ihre jüdische Herkunft offenbar geworden. Seitdem hatte sie die Pflicht zu regelmäßiger polizeilicher Meldung. Nachdem die Abstammung seiner Ehefrau bekannt geworden war, durfte Günther Mickwausch nicht mehr zu Auslandsmessen fahren, bis er und Käthe schließlich aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurden und Berufsverbot erhielten.

Nach den Novemberpogromen 1938 wurde das elterliche Kaufhaus Reiner in Heidenau arisiert und durch das Kaufhaus Günther in Kleinzschachwitz übernommen. Käthes Vater, ein selbsterklärter Sozialist, ging nach Berlin und musste dort schwerste Zwangsarbeit leisten – Käthe und ihr Ehemann besuchten ihn mehrmals, bis er nach Theresienstadt verschleppt wurde.
Käthe meldete sich freiwillig als Zeichnerin und später Technische Assistentin im Konstruktionsbüro der Maschinenfabrik C. G. Haubold in Chemnitz, wo sie bis 1944 tätig war. Im Anschluss wurde sie als Hilfsarbeiterin in der Spinnerei Josef Witt in Chemnitz zwangsdienstverpflichtet. Anfang März 1945 war für Käthe Mickwausch die Deportation vorgesehen. Dem Transport in den sicheren Tod entging sie nur knapp durch den Luftangriff auf Chemnitz am 5. März 1945.

„Mickwausch Entwürfe“

Ab August desselben Jahres konnte Käthe Mickwausch wieder eine selbstständige Tätigkeit, gemeinsam mit ihrem Ehemann, als Malerin und Gebrauchsgrafikerin unter dem Namen „Mickwausch Entwürfe“ aufnehmen. Dieser Tätigkeit ging das Ehepaar bis 1947 in Chemnitz nach. Durch den Gewinn eines Preisausschreibens konnten sie unter anderem die Werbung für den Wiederaufbau von Chemnitz gestalten, waren danach auch für die Landesregierung in Dresden tätig und fertigten Exportwerbung an.
Danach siedelten sie nach Heidenau über. In den ersten Jahren dort haben die Eheleute Mickwausch fast ausschließlich technische Grafiken hergestellt. Darüber hinaus gestalteten sie in Dresden die 1. Sächsische Exportmusterschau für sächsische Erzeugnisse und waren für Ausstellungen im Deutschen Hygiene-Museum Dresden tätig.
In den folgenden Jahrzehnten entstand ein umfangreiches gemeinsames künstlerisches Œuvre von Plakaten, Prospekten, Schutzmarken, Briefbögen, Inseraten und Aquarellen, das 1995 in der Ausstellung „Leben mit der Kunst“ im Technischen Museum Dresden einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
Am 22. November 2011 verstarb Käthe Mickwausch nach kurzer Krankheit und wurde auf dem Friedhof in Heidenau-Süd beigesetzt.

Literatur

Hechler, Andreas (2007): Wer fehlt? Voids in Reinhardtsdorf-Schöna. In: Blask, Falk (Hg.): Ein Dorf voller Narren. Karneval – Idylle – Rechtsextremismus. Berliner Blätter, Sonderheft 43/2007. Münster/Hamburg/Berlin/ London: Lit Verlag. S. 171-196.
Jensch, Hugo (1997): Juden in Pirna. Pirna: Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein. Jensch, Hugo (2015): Familie Reiner, Heidenau. Pirna: Selbstverlag. URL: http://geschichte- pirna.de/wp-content/uploads/2023/07/Maximilian-Reiner.pdf (abgerufen am 09.10.2024).

Abbildungen

Titelbild/Bild 1: Käthe Irma Reiner mit ihrer Mutter Elsa Emmy Dorothea Reiner, geborene Rösler, und ihrem Bruder Horst Wilhelm Rei- ner, Ostern 1925. Archiv Hugo Jensch
Bild 2: Käthe Mickwausch, Im Elbsandsteingebirge, 1938, unter Passepartout und hinter Glas gerahmt, Passepartoutausschnitt ca. 21 x 31 cm, Auktionshaus Mehlis GmbH, https://www.mehlis.eu/de/catalogs/10622/ item/4161
Bild 3: Maximilian Reiner und Käthe Mickwausch (geb. Reiner), 1947. Archiv Hugo Jensch
Bild 4: Entwürfe von Käthe und Günther Mickwausch für einen Kupferpräsentationsteller für die Stadt Heidenau Heidenauer Journal. Amtsblatt und Stadtzeitung der Stadt Heidenau. Ausgabe 24/2002. Stadtarchiv Heidenau. Bild 5: Werbeanzeige von Käthe und Günther Mickwausch, Stadtarchiv Heidenau.

Albert G. Hess

Leben in Pirna und Dresden

Albert Günther Hess wurde am 1. März 1909 in Pirna geboren. Er war das jüngste von drei Kindern. Seine Eltern waren Hermine (geb. Bauer, 1874–1955) und Gustav Hess (1862–1923).
In Dresden besuchte er das Gymnasium, das er 1928 mit dem Abitur abschloss. Im Anschluss studierte er Rechtswissenschaften in Hamburg, London, Bonn, Berlin und Leipzig. Im Januar 1932 legte er das Erste Staatsexamen in Leipzig ab. Kurz darauf wurde er Rechtsreferendar in Leipzig. 1934 reichte er seine Dissertation zum Thema „Die Kinderschändung unter besonderer Berücksichtigung der Tatsituation“ ein. Damit konnte er den Titel Dr. jur. führen. Bewertet wurde die Arbeit magna cum laude, was die zweitbeste Bewertung einer Dissertation in Deutschland ist. Parallel zu seinem rechtswissenschaftlichen Studium nahm Albert Hess Unterricht für Klavier, Cembalo und Komposition. Im Juli 1933 wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem juristischen Vorbereitungsdienst entlassen. Ursächlich dafür war das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das die Entlassung von „Beamte[n], die dich arischer Abstammung sind,“ ermöglichte. Er begann daraufhin, als Rechtsberater in der Firma seines Bruders Manfred Hess (1898–1980) zu arbeiten. Dieser hatte die Chemische Fabrik Gustav Hess von ihrem Vater in Pirna übernommen, der 1923 verstorben war.

Leben in Brüssel und Internierung in Frankreich

Im Dezember 1937 wanderte Albert Hess nach Brüssel aus. Dort war er als Vertreter der Firma für Belgien, die Niederlande und Frankreich tätig. Zudem nahm er Cembalound Orgelunterricht. 1939 publizierte er im Züricher Verlag Hug seine erste Sonate, ein instrumentelles Stück für zwei Instrumente. Im Laufe des Jahres 1939 wurde die Firma Chemische Fabrik Gustav Hess zwangsenteignet. Damit endete auch Albert Hess’ Anstellung in der Fabrik. Albert Hess hielt sich dennoch weiter in Belgien auf. Mitte Mai 1940 überfiel die Wehrmacht Belgien. Im Zuge dessen kam es zur Verhaftung von Albert Hess und er wurde in ein Internierungslager nach Südfrankreich verbracht. Im Januar 1941 kam er in das Internierungslager Les Milles. Das Lager fungierte zu der Zeit auch als Transitlager. Gefangenen, die die erforderlichen Papiere hatten, wurde die Ausreise gestattet. Albert Hess wurde am 17. Februar 1941 entlassen und emigrierte von Marseille über verschiedene Zwischenstationen in die USA.

USA: Flucht und Leben

Anfangs betätigte er sich dort als Gelegenheitsarbeiter, gab Musikunterricht und erhielt Unterstützung von Verwandten. Später bekam er eine mehrmonatige Anstellung als Musiklehrer an einem College in Vermont. Zwischen 1941 und 1945 veröffentlichte er mehrere Noteneditionen aus dem Barock in verschiedenen New Yorker Verlagen.
Im August 1943 wurde er zum Militärdienst für die USA einberufen. Er war Teil einer Einheit des militärischen Geheimdienstes, die an der Befreiung des KZ Dachau Ende April 1945 beteiligt war. Dabei fertigte er Fotos der Gräueltaten und Zustände im KZ Dachau an. Auch nahm er als Dolmetscher an Vernehmungen von gefangenen Nazis teil, so an der von Hermann Göring. Nach der Entlassung aus dem Militärdienst war Hess u. a. als Musiklehrer an verschiedenen Colleges tätig. 1949/50 studierte er Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an einer Universität in Ithaca, New York. Das Studium schloss er mit dem Grad eines Ph.D. ab, dem Doktortitel. Von 1951 bis 1955 war er Assistenzprofessor für Alte Musik an der Universität von Minnesota. In dieser Zeit veröffentlichte er mehrere musikwissenschaftliche Schriften, die sich vorrangig mit Musikgeschichte des 17./18. Jahrhunderts beschäftigten und u. a. die Themengebiete Instrumentengeschichte und Darstellungen von Musik in Bildern umfassten. Wiederholt gab er mit Fakultätskolleg_innen und fortgeschrittenen Musikstudierenden auf alten Instrumenten öffentliche Konzerte mit Renaissanceund Barockmusik.
1956 wandte er sich wieder dem Fachgebiet zu, dem sein besonderes Interesse schon als Rechtsstudent gegolten hatte: der Kriminologie. Bei den Vereinten Nationen übernahm er bis 1969 verschiedene Posten. Thematisch befasste er sich in dieser Zeit vorrangig mit Kriminalitätsprävention.
1970 wurde er Professor für Soziologie und Kriminologie an die State University of New York. Seine Forschungsschwerpunkte waren Drogenkriminalität und wissenschaftstheoretische Fragen der Kriminologie.
Albert Hess wurde im Februar 1956, mittels eines Wiedergutmachungsbescheids des Bundesministeriums der Justiz, das Ruhegehalt eines Amtsgerichtsrats zuerkannt. Er starb am 19. September 1993 in Florida.

Weiteres kulturelles Wirken

Neben seinem musikalischen Wirken – dem Erlernen von Instrumenten, dem Komponieren, dem Spielen von Konzerten, der Veröffentlichung von Noteneditionen, der musikwissenschaftlichen Forschung und der theoretischen wie praktischen Weitergabe musikalischen Wissens – betätigte sich Albert Hess auch im Privaten künstlerisch. So sind sechs Amateurvideoaufnahmen überliefert, die nicht nur Einblicke in das Leben der Familie Hess sowie ihrer Verwandten und Bekannten geben und dieses dokumentieren, sondern sie zeigen auch, wie bedeutend Kunst und Kultur in der Familie Hess waren.
In den zwischen 1930 und 1936 gedrehten Aufnahmen sind u. a. Ausschnitte einer Puppentheateraufführung sowie gemeinsamen Musizierens zu sehen. Die Aufnahmen sind dabei nicht nur als beiläufiges Filmen zu betrachten, sondern teilweise sind es kleine filmische Inszenierungen (wie „Wo sind die Zigaretten?“).

Literatur

Leo Baeck Institute (Hg.): Albert G. Hess Family Collection. URL: https://archives.cjh.org/ repositories/5/resources/20197 (abgerufen am 08.05.2024)
Morisse, Heiko (2013): Albert G. Hess. In: Maurer Zenck, Claudia/Petersen, Peter (Hg.): Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit. Hamburg: Universität Hamburg. URL: https://www.lexm.uni-hamburg.de/ object/lexm_lexmperson_00005612 (abgerufen am 08.05.2024).
United States Holocaust Memorial Museum (Hg.): Albert Günther Hess Collection. URL: https://collections.ushmm.org/search/catalog/ irn1000023 (abgerufen am 08.05.2024).

Abbildungen

Titelbild/Bild 1–4: v.l.n.r. Porträtaufnahme von 1937; Assistenzprofessor für Alte Musik an der Universität von Minnesota, 1951-1957; Albert G. Hess Flöte spielend, 1941; Albert G. Hess, „Somewhere in France“, Januar 1941. Albert G. Hess Family Collection; AR 25706, Leo Baeck Institute
Bild 5: Handgefertigte Pappmaché-Handpuppe einer dunkelhaarigen Frau, die von Albert Günther Hess in New York geschaffen wurde, um seine Erfahrungen als Holocaust-Überlebender und Soldat im Zweiten Weltkrieg zu verarbeiten. United States Holocaust Memorial Museum Collection. Geschenk von Marie Brandes Hammerling, der Tochter von Albert Günther Hess, https://collections.ushmm.org/ search/catalog/irn560500
Bild 6: Aus dem Film „Die Pirnschen – August 1936“: Albert Günther Hess zu Besuch bei seinem Bruder Manfred „Fred“ Hess. Er gibt seinen Nichten Ursula und Luise Klavierunterricht. United States Holocaust Memorial Museum, Geschenkt von Marie Hammerling, https://collections.ushmm.org/search/ catalog/irn1000023

Max Zimmering

In vielen seiner späteren Werke verarbeitete Max Zimmering die Zeit des Nationalsozialismus: Verbrechen, aber auch Widerstand. Damit zählten seine Bücher zur wichtigen Nachkriegsliteratur im Kinderund Jugendbereich.
Max Zimmering wurde am 16. November 1909 in Pirna geboren. Seine Eltern waren Cilly (geb. 1881 als Cilly Peschel in Horodenka/ Galizien, gest. zwischen 1933 und 1938) und Adolf Zimmering (geb. 1879 in Horodenka/Galizien, gilt als verschollen), die 1908 aus Bautzen nach Pirna kamen. Adolf Zimmering war Uhrmacher und betrieb ein Reparaturengeschäft in der Langen Straße 10. Die Familie selbst wohnte nur wenige Häuser weiter in der Nummer 16.
Max Zimmering hatte zwei Brüder: Siegfried/Fred (geb. 1907 in Dresden) und Josef (geb. 1911 in Pirna). Nachdem der Vater 1914 zum Kriegsdienst eingezogen wurde, musste Familie Zimmering zu Verwandten nach Dresden ziehen und ihr Uhrengeschäft aufgeben. Familie Zimmering gehörte zu den wenigen jüdischen Familien in Pirna, die nachweislich die sächsische Staatsbürgerschaft erwarben. Neben ihnen betraf dies auch die Familien Cohn, Hess und Kaminsky.

Politisch aktiv

Max Zimmering engagierte sich von frühster Jugend an politisch und schrieb zahlreiche Texte. Er war ab 1919 Mitglied der jüdischen Jugendbewegung (Wanderbund Blau-Weiß, Pfadfinderbund Kadimah). Neun Jahre später wurde er Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands und der Gewerkschaft. Er veröffentlichte Gedichte und Prosa als Arbeiterkorrespondent für die „Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“ (A-I-Z) und die Zeitschrift „Linkskurve“. 1929 trat er in die KPD ein.
Da die Familie ein Studium für Max Zimmering nicht finanzieren konnte, begann er 1930 eine Ausbildung zum Schaufensterdekorateur bei der Firma Tietz in Dresden. In dieser Zeit entstand sein Roman „Der Aufstieg des Verkäufers Gottlieb Ziegenfuß“. Aufgrund seiner gewerkschaftlichen Betätigung wurde er nach ungefähr einem Jahr aus der Firma entlassen. Eine Folgeanstellung endete bereits nach einem halben Jahr. Der Entlassungsgrund war der gleiche. Er nutzte die Phase seiner Arbeitslosigkeit nach eigenen Angaben, um sich auf das Schreiben zu konzentrieren. So verfasste er die Erzählung „Brand im Warenhaus“ sowie das Kinderbuch „Die Jagd nach dem Stiefel“.
Sowohl sein Roman als auch die Erzählung lagen unveröffentlicht beim Verlag der Jugendinternationale. Nach der Machtübertragung an die Nazis wurden sie vernichtet. Beide Bücher sind unwiderbringlich verloren gegangen. Das Originalmanuskript von „Die Jagd nach dem Stiefel“ rettete der Schriftsteller Fritz Sparschuh vor den Nazis und brachte es nach Prag. Dort erschien es zunächst auf Tschechisch. 1953 übersetzte Max Zimmering das Werk zurück ins Deutsche.

Emigration und Aufklärung

Der Wahlsieg der NSDAP im März 1933 zwang Max Zimmering und seinen Bruder Josef zu emigrieren. Zuvor wurde ihrem Vater durch einen Beamten empfohlen, „seine Kinder besser außer Landes zu schicken“. Am 17. Mai 1933 sahen Max und Josef Zimmering ihre Eltern letztmalig, bevor sie nach Paris flohen. Ihr Bruder Fred folgte ihnen zwei Monate später.
Für Max Zimmering begann eine Odyssee von Paris über Palästina nach Prag und weiter nach England, von wo er 1940 auf dem Schiff „Dunera“ nach Australien gelangte. An allen Orten betätigte er sich politisch und zumeist auch schriftstellerisch. 1941 kehrte er nach England zurück. Zunächst folgten drei Monate Internierung auf der Isle of Man, aus der er dank der Bemühungen des PEN und fortschrittlicher Parlamentsabgeordneter im November 1941 entlassen wurde. In England war er Redakteur bei der Monatszeitschrift „Freie deutsche Kultur“ und schrieb auch für andere antifaschistische Zeitschriften. Zudem beteiligte er sich spätestens ab 1942 an der Emigrationsgruppe der KPD. Bereits zuvor schrieb er viele Werke, die sich mit den Ereignissen auseinandersetzten.

Der Weg zurück – Funktionär in der DDR

Über Umwege gelangte Max Zimmering nach Kriegsende 1946 über Prag und Děčín schließlich wieder nach Pirna. Nach seiner Rückkehr trat er 1946 der SED, dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) sowie dem Kulturbund der DDR bei. Max Zimmering hatte seit der Gründung der DDR etliche Funktionen inne. Er war seit 1950 Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbandes (DSV). Zwischen 1950 und 1952 war er 1. Vorsitzender des DSV Sachsen, von 1952 bis 1956 des Bezirksverbandes Dresden. Anschließend war er zwischen 1956 und 1958 1. Sekretär des DSV in Berlin. Des Weiteren war er Mitglied des Sächsischen Landtages (1950–1952) sowie ab 1949 Vorsitzender der VVN Sachsen. Nach der Auflösung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) Sachsen in der DDR 1953 wurde er Mitglied im Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer. Ab 1958 war er als Direktor des Instituts für Literatur „Johannes R. Becher“ in Leipzig.
Max Zimmering beteiligte sich ab 1949 an Textentwürfen für die geplanten Gedenktafeln in der als Synagoge genutzten Totenhalle auf dem Neuen Israelitischen Friedhof zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Auch für die Inschrift der Mahnmalwand auf dem Dresdner Heidefriedhof erarbeitete Max Zimmering Entwürfe. Die 1950 aufgestellte Mauer, die an die Opfer der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Februar 1945 erinnerte, trug, wie auch ihre Nachfolgerin, die Inschrift: „wieviele starben? wer kennt die zahl? | an deinen wunden sieht man die qual | der namenlosen | die hier verbrannt | im höllenfeuer | aus menschenhand“. Die Zeilen stammen aus dem Gedicht „Dresden“ von 1949. Die Zeilen fügten sich ein in die Art und Weise, wie auch in der DDR die Bombardierung Dresdens durch Royal Air Force und US Army Air Forces zunehmend als Angriff auf eine ausschließlich zivile Stadt dargestellt wurde.
Max Zimmering wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Nationalpreis der DDR. Er ist Ehrenbürger der Stadt Pirna. Er starb am 15. September 1973 in Dresden und ist auf dem Heidefriedhof beerdigt, das Grab seiner Eltern ist auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Dresden. Max Zimmering hinterlässt eine Reihe von Romanen, die sich mit dem Widerstand in der Region der Sächsischen Schweiz beschäftigen, wie „Li und die Roten Bergsteiger“ oder „Die Jagd nach dem Stiefel“.

Literatur

Arbeitskreis Gedenkbuch (2006): Familie Zimmering. In: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e. V., Arbeitskreis Gedenkbuch (Hg.): Buch der Erinnerung. Juden in Dresden deportiert, ermordet, verschollen. 1933-1945. Dresden: Universitätsverlag. S. 389.
Jensch, Hugo (1996): Juden in Pirna. Pirna: Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein. Zimmering, Max (1979): Wir lieben unsere Zeit: Gedichte, Erzählungen, Erinnerungen, Briefe. Berlin: Der Kinderbuchverlag.

Abbildungen
Titelbild/Bild 1: Peter, Richard jun.: Max Zimmering (1909-1973; deutscher Schriftsteller), 1958 © Deutsche Fotothek / Richard Peter jun.
Bild 2: Höhne, Erich & Pohl, Erich: Dresden, Buchhandlung im Haus der Presse, Neueröffnung einer Buchhandlung auf der Ernst- Thälmann-Straße, Bibliothek auf der Fenskestraße, Ehrung zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Kurt Liebmann im Mai 1977, Ehrung zum 60. Geburtstag des Schriftstellers Max Zimmering am 16. November 1969, u. a. April 1966-Mai 1977 © Deutsche Fotothek / Erich Höhne & Erich Pohl
Bild 3: Peter, Richard sen.: Mahnmal auf dem Heidefriedhof in Dresden. 1950. Gedenkanlage der Opfer von Krieg, Gedenkstätte für die Opfer des 13. Februar 1945, Sandstein-Wand mit einer Inschrift des Dresdner Schriftstellers Max Zimmering.© Deutsche Fotothek / Richard Peter sen.
Bild 4: Max Zimmering: Die Jagd nach dem Stiefel. Illustration: Ernst Jazdzewski. Erschienen im Kinderbuchverlag Berlin, 10. Auflage 1971.
Bild 5: Max Zimmering: Li und die Roten Bergsteiger. Illustration: Kurt Klamann. Erschienen im Kinderbuchverlag Berlin 1967.

Rose Scooler

Rose Guttfeld kam 1882 im ostpreußischen Ortelsburg – heute Szczytno, Polen – auf die Welt. Sie wuchs in einer liberalen, bürgerlichen jüdischen Familie in Berlin auf. 1899 heiratete sie den Kaufmann Sidney Scooler und zog zu ihm nach Porschendorf. Dieser leitete die Papierfabrik in Porschendorf. Rose und Sidney Scooler bekamen zwei Söhne: 1901 wurde ihr erster Sohn Werner, 1909 ihr zweiter Sohn Walter geboren. Als Sidney Scooler 1928 starb, übernahmen die beiden Söhne die Papierfabrik. Rose Scooler schrieb Gedichte und dokumentierte so ihren Alltag. Von ihrer Nichte Ann Lewis wurde Rose Scooler als eine sehr ehrwürdige, formelle Frau beschrieben, die es erwartete, nicht mit einer Umarmung, sondern mit einem Knicks begrüßt zu werden. Ann Lewis verbrachte als Kind jeden Sommer bei ihrer Tante in Porschendorf und behielt diese Zeit trotz der vielleicht etwas kühlen Art ihrer Tante in guter Erinnerung. Ihre Tochter Sibyl Ruth gibt die Erzählungen ihrer Mutter über diese Zeit so wieder:

„All the stories my mother loved to tell about her childhood involved this big house, its gardens, her freedom to roam around the village. For her, this was a place where the sun always shone.“¹

Sommerferienlager in Porschendorf

Nach der Machtübertragung 1933, unterstützte Familie Scooler andere Jüdinnen_Juden, die aufgrund der Nazis in Not geraten waren. Für jüdische Kinder richteten sie im Gesindehaus der Firma mehrere Jahre lang ein Sommerferienlager aus, in dem die Kinder Gelegenheit bekamen, sich zu erholen und schöne Erlebnisse zu haben. Das Dresdner Künstler_innenpaar Bruno und Irene Gimpel gab den Kindern dort Musik- und Zeichenunterricht.

Von Porschendorf nach Dresden und Berlin

1938 verschlechterte sich die Lage der Familie Scooler deutlich. Das Finanzamt in Pirna nahm ihr Vermögen in sogenannte Siche- rungsverwahrung, die Firma wurde enteignet und an Friedrich Carl Rung weit unter Wert zwangsverkauft. Familie Scooler zog nach Dresden und versuchte auszuwandern. Während Werner Scooler mit seiner Frau Liesel und ihrem Sohn Dan in Dresden blieb, zog Rose Scooler 1940 mit ihrem Sohn Walter nach Berlin. Werner Scooler wurde 1941 mit seiner Familie nach Riga deportiert und wurde entweder dort oder in Auschwitz ermordet.
Über Rose Scoolers Leben 1940 bis 1944 in Berlin ist uns nichts bekannt. Es war jedoch sicherlich von großer Angst und Unsicherheit geprägt. Ein Schriftstück aus Rose Scoolers Nachlass, in dem sie von einer Familienfeier erzählte, vermittelt den Eindruck von sehr ärmlichen Lebensverhältnissen.

Deportation nach Theresienstadt

Am 11. Januar 1944 wurde Rose Scooler in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort musste sie Zwangsarbeit leisten, indem sie Glimmer für die deutsche Wehrmacht spaltete. Ihre robuste Konstitution, Glück und auch der Einsatz in der rüstungsrelevanten Glimmerspaltung retteten ihr das Leben. Wer hier arbeitete, wurde nicht auf die Transporte in die Vernichtungslager geschickt.
Aus der Zeit in Theresienstadt sind mehrere Gedichte von Rose Scooler erhalten. Darin beschrieb sie Alltag, Enge und Gestank im Lager, aber auch Gefühle wie Angst, Müdigkeit und Hoffnung. Sie schrieb über Freundschaften, erzählte mit schwarzem Humor, berichtete von Erlebnissen wie geglücktem Kohlendiebstahl und gab ihrer Sehnsucht nach Leben und Geborgenheit Ausdruck:

Rose Scooler: Träumerei im Glimmer

Noch einmal möchte morgens ich erwachen
Und hören, wie im Zimmer neben mir
Der Wecker leise dich zum Aufstehn mahnet
Und wie du gehst und klappend fällt die Tür.
Ich möchte wieder glätten deine Kissen,
In denen in der Nacht geruht du hast,
Und ordnen können unsre lieben Räume,
Dass schön du fändest sie zur Abendrast.

Noch einmal möchte ich beim Nachtmahl sitzen
Dir gegenüber an dem Tisch alsdann,
Mich freuend, wenn du lobst, was ich bereitet,
Und plaudernd hören, was du heut getan.
Ich möchte lauschen mit dir unserm Radio,
Das eine ganze Welt ins Zimmer bringt,
Und spüren, wie der Duft von deiner Pfeife,
Das Rascheln deiner Zeitung zu mir dringt.

Noch einmal möchte ich im Auto fliegen.
An deiner Seite durch Gebirg und Tal,.
Die Märchenwelt vorübergleiten sehen,.
Was alles möchte ich wohl noch einmal!.
Da fahre ich empor aus meinen Träumen.
Ach, dass ich immer noch im Glimmer bin!.
Ich höre eine Stimme mahnend sagen:.
„Es ist recht wenig in dem Kasten drin.“.

Emigration in die USA

Im Mai 1945 wird Theresienstadt von der sowjetischen Armee befreit. Die mittlerweile 63-jährige Rose Scooler beschreibt die mit der Befreiung verbundene Ungewissheit in ihrem Gedicht „Vale Terezin“.

Vale Terezin

Und wieder reisst das Schicksaal auf die Tür
Und stösst uns nun hinaus mit harter Hand,
Wie schon so oftmals in der letzten Zeit,
In Neuland, uns noch fremd und unbekannt.

Es trieb uns aus der alten Heimat fort,
Versetzte uns so manchen harten Schlag.
Fast war man schon geborgen in Ka-Zet.
Wohin der Weg uns jetzt wohl führen mag?

Wir wissen nicht, was draussen vor sich geht,
Wo unsre Lieben sind – wer da noch lebt!
Man ist so wund geworden, dass man schon
Bloss im Gedanken an Gewissheit bebt.

Nach der Befreiung kam Rose Scooler in das Displaced Persons Camp im bayerischen Deggendorf, wo sie ihren Sohn Walter, der die NS-Zeit überlebt hatte, wiedertraf. Rose Scooler ging zunächst nach England zu ihrer jüngsten Schwester und folgte später ihrem Sohn Walter und dessen Frau Hanna Scooler in die USA, wo sie 1985 im Alter von 103 Jahren in St. Paul, Minnesota, starb.

Gedicht "Abfahrt der Dänen"

In ihrem Gedicht „Abfahrt der Dänen“, das sie auf die Melodie des vierten Satzes der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven schrieb (und damit Friedrich Schillers Text „An die Freude“ im Sinn hatte), verarbeitete Rose Scooler die Rettung von 423 dänischen Jüdinnen_Juden aus Theresienstadt durch das schwedische Rote Kreuz im März 1945. Das Gedicht wird gesungen vom Antifaschistischen Chor Pir-Moll, die Aufnahme entstand 2024.

Literatur

AG Asylsuchende Sächsische Schweiz/Osterzgebirge e. V., AKuBiZ e. V./Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e. V. (2021): Station 6: Villa Rose – Familie Scooler in Porschendorf. In: dies. (Hg.): „Noch einmal möchte morgens ich erwachen …“ Spurensuche durch Pirna und Porschendorf. Eine Wandertour. URL: https://weiterdenken.de/sites/default/ files/2021-10/Broschur_Spurensuche_online. pdf (abgerufen am 10.05.2024). S. 35-69. Jensch, Hugo: Familie Scooler, Porschendorf. Pirna: Selbstverlag. URL: http://geschichte- pirna.de/wp-content/uploads/2023/07/ Familie-Scooler-Porschendorf.pdf (abgerufen am 09.10.2024).

Abbildungen
Titelbild/Bild 1: Rose Scooler 1947 in Deggendorf, Quelle: privat
Bild 2: Sidney und Rose Scooler mit ihrem ersten Sohn Werner, Quelle: privat
Bild 3: Der Familiensitz, die Villa Rose, im Vordergrund u. a. Rose Scooler mit Walter, Quelle: privat
Bild 4: Bruno Gimpel: Im jüdischen Kinderheim in Porschendorf, Aquarell 1938, Quelle: Max-Samuel-Haus, Rostock
1. Übersetzung: „All jene Geschichten aus ihrer Kindheit, die meine Mutter gerne erzählte, handelten von diesem großen Haus, seinem Garten und ihrer Freiheit, im Dorf herumzustreifen. Für sie war dies ein Ort, an dem immer die Sonne schien.“

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