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Mehr Schein als Sein

Einleitung

Casa Pound Phantasien in Pirna

Das so genannte »Haus Montag« in Pirna.

Seit dem 11. Oktober 2013 gibt es in Pirna eine neue Neonaziimmobilie. Das so genannte »Haus Montag« wurde von dem Osloer Neonazi Eirik Ragnar Solheim gekauft, welcher es der lokalen Neonaziszene zur Verfügung stellt. Das »Haus Montag« hat sich dem italienischen Casa-Pound-Konzept verschrieben und wirbt in seinem Internetauftritt mit dem »Geist der ungarischen Revolution von 1956«. Ein auf den ersten Blick sowohl inhaltlich als auch personell skurril erscheinender Mix. Tatsächlich sind aber die personellen Verbindungen schnell abbildbar und Casa Pound-Anlehnungen als bloße Gedankenspiele und Alleingänge einzuschätzen. Schlussendlich ist es – ärgerlich genug – schlicht eine weitere Neonaziimmobilie nach bekanntem Muster.

Die Kleinstadt Pirna sowie die gesamte Region Sächsische Schweiz ist eine der Hochburgen der NPD. Zur Bundestagswahl erzielte die Partei mit 5,1 Prozent im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bundesweit ihr bestes Ergebnis. Die Opferberatung Sachsen verzeichnete in diesem Jahr bereits 15 Gewalttaten mit rechter Motivation im Landkreis. Nun haben die Neonazis auch ein eigenes Haus, welches direkt an einer Hauptstraße in Pirna liegt. Das Objekt beherbergt offiziell die neue Kreisgeschäftsstelle der »NPD Sächsische Schweiz-Osterzgebirge« sowie das Bürgerbüro des NPD-Landtagsabgeordneten Johannes Müller.

Hinter dem Projekt »Haus Montag« steht in erster Linie der neue NPD-Kreisvorsitzende Thomas Sattelberg. Sein Weg führte ihn von der Jugendorganisation der DSU1 über die Wiking-Jugend zur Kameradschaft »Skinheads Sächsische Schweiz« (SSS), deren Kopf er war. Außerdem war er Sänger der Rechtsrockband »14 Nothelfer«. 2001 wurde die SSS verboten und wenig später standen die Mitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor dem Dresdner Landgericht. Thomas Sattelberg wurde 2003 als Rädelsführer zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Wegen Fortführung der verbotenen Organisation verurteilte ihn das Gericht 2006 zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe.

Angesichts der seit langem bestehenden Verbindungen bzw. Überschneidungen der lokalen NPD zu rechten Gewalttätern verwundert es auch nicht, dass sich diese das Objekt von einem militanten Rechten aus Norwegen zur Verfügung stellen lässt. Eirik Ragnar Solheim war in den 1990er Jahren Anführer der militanten Neonaziorganisation »Viking« in Oslo und wurde bereits wegen Bedrohung mit Waffen verurteilt. Er wohnt in der Nähe von Oslo und versucht sich dort als Aussteiger zu präsentieren.

Ob der Kontakt über das ehemalige SSS-Mitglied Thomas Rackow, der seit einiger Zeit in Norwegen lebt, entstand, ist nicht bekannt, liegt aber nahe. So trat Rackow in Norwegen als Redner auf und auch Solheim hielt mindestens einen Vortrag in Deutschland. Im Dezember 2010 referierte er in der Sächsischen Schweiz beim 2. Jugendseminar des »Bildungswerk für Heimat und nationale Identität« zum Thema »Positive Propaganda aus Sicht der Psychologie – Modelle für die national-identitären Bewegungen Europas«.

Ein weiterer Aktivist des NPD-Hauses ist Markus Großmann. Er gehörte lange zu den Führungsköpfen Hallenser Neonazis und wird dem Umfeld des »Selbstschutz Sachsen-Anhalt« (SS-SA) zugerechnet. Heute lebt Großmann bei Pirna und verdient sein Geld unter anderem im Eventbereich »Mittelalter«. Dazu hatte er bis zum vergangengen Jahr einen Internethandel zum Verkauf von Utensilien wie Schwertern oder Lederbeuteln betrieben. Desweiteren bietet er mit der Mittelaltertruppe »manus ad ferrum«, der weitere NPD-Mitglieder aus der Sächsischen Schweiz angehören, seine Dienste an. Die Gruppe tritt nicht nur auf Mittelalterfesten auf, sondern organisiert diese auch gleich selbst.2

Die Betreiber des »Haus Montag« bieten also ein breites Spektrum der lokalen und überregionalen Neonaziszene. Die inhaltliche Ausrichtung des Objektes erscheint ziellos. Einerseits beherbergt das Gebäude als NPD-Immobilie deren Strukturen. Andererseits wird mit der Namensgebung und dem Internetauftritt der Eindruck eines Projektes erweckt, das parallel zur NPD agiert und an die Idee des Casa Pound angelehnt ist. Dass nun gerade Neonazis in der Sächsischen Schweiz versuchen, sich Casa Pound auf die Fahnen zu schreiben, ist angesichts des regen Austauschs mit italienischen Faschisten nicht verwunderlich. So besuchten Vertreter der sächsischen Jungen Nationaldemokraten mehrfach das Vorbild in Rom. Der Pirnaer NPD-Stadtrat Olaf Rose referierte im Mai 2013 in Florenz im Rahmen einer Casa Pound Tagung zur Bombardierung Dresdens.

Die gewollte Verknüpfung zum Casa Pound der italienischen Faschisten bleibt jedoch bruchstückhaft. Das Konzept geht nicht nur von anderen Rahmenbedingungen aus, sondern hat auch eine andere Zielrichtung, als sie derzeit in Pirna zu beobachten ist. So zog es die seit circa 10 Jahren bestehende Casa-Pound-Bewegung bewusst in migrantisch geprägte Viertel und besetzte dort Häuser. Zudem stand hinter den Projekten der Versuch, Zentren für RechtsRock zu erschließen und mit eigenen Listen bei Wahlen anzutreten. Casa Pound verbindet die Vorlage der Neuen Rechten, den »Kulturkampf von Rechts« mit einer breit gefächerten Form von Aktivitäten und Beteiligungsmöglichkeiten. Ob Hausbesetzungen, Konzerte oder Freizeit-, Sport- und Kulturangebote, die Bewegung hat es in Italien geschafft, sich in der Breite aufzustellen.

Im Gegensatz dazu steht das Projekt in Pirna. Die Region besitzt bekanntermaßen einen geringen Anteil an Migrant_innen. Die Immobilie wurde gekauft, nicht besetzt, und ordnungs­gemäß mit Bauanträgen bei der Stadt Pirna ausgebaut. Für Konzerte ist das kleine Gebäude nicht geeignet. Außerdem stehen hinter dem Objekt keine »neuen freien Aktivist_innen«, sondern alte Kader der etablierten NPD-Strukturen.

Lediglich im Auftreten versucht das Projekt, den italienischen Vorbildern gerecht zu werden. Mit dem Slogan »Mehr Faschismus« wirbt die NPD auf einem Werbeplakat für ihr neues Bürgerbüro. Der NPD-Stadtrat Olaf Rose sowie der JN-Bundesgeschäftsführer Julian Monaco (Dresden) posierten in der Süddeutschen Zeitung im »Haus Montag« vor einem Casa Pound-Plakat. Auf der Facebook-Seite des »Haus Montag« findet sich ein Mix aus argentinischen KameradInnen, syrischer Freiheitsromantik und deutschen Gewaltphantasien. Antiamerikanismus und positive Bezugnahme auf das syrische Regime im Rahmen der Kampagne der europäischen radikalen Rechten »European Solidarity Front for Syria« runden das inhaltliche Potpourri ab. Darüber hinaus werden Zukunftsphantasien bemüht. Dazu dient vor allem der Roman »Fahrenheit 451«, dessen Hauptfigur Guy Montag offiziell als Namensgeber des Hauses herhalten muss. Allerdings lässt die Namensgebung auch eine weitere Deutung zu: den Rückbezug auf das italienische Vorbild. So war das »Casa Montag« das erste besetzte Haus der römischen Faschisten, bevor sie das »Casa Pound« besetzten.

Aber nur weil sich einzelne Neonazikader in der Sächsischen Schweiz wünschen, ein Casa-Pound-Projekt zu sein, sind sie dies noch lange nicht. Vielmehr bleibt das »Haus Montag« eine der vielen rechten (Schrott-)Immobilien landauf, landab – allerdings als eigener Besitz. Es ist jedoch gerade in dieser Region Aufmerksamkeit angezeigt, ob das Pirnaer Projekt (Vorbild-)Funktion haben kann und inwieweit es gelingt, ein wirkliches Zentrum zu entwickeln – wenn auch nicht als Kopie des Casa Pound. Spannend bleibt, was mit dem Objekt geschieht, wenn die NPD nicht mehr in den Landtag einziehen sollte. Der Kauf der Immobilie durch einen Dritten und die überraschende Eröffnung eines »Bürgerbüros« des Landtagsabgeordneten Müller, der nahezu seine gesamten zwei Legislaturperioden hindurch ein solches nicht für notwendig gehalten hat, kann ein Zeichen für die (finanzielle) Absicherung regionaler Strukturen für eine, bei den Neonazis gefürchtete Zeit nach dem Auszug aus dem sächsischen Landtag sein. Denn ob die NPD den Wiedereinzug schafft, steht nach den derzeitigen Prognosen noch auf der Kippe.

  • 1Die Deutsche Soziale Union ist eine rechte Kleinpartei. In der Wendezeit 1989/1990 war sie als Teil des Wahlbündnisses Allianz für Deutschland an der letzten DDR-Regierung beteiligt.
  • 2Weiterführend dazu: K2. Kulturkiste: Ritterliche Nazis. Erschienen 28.10.2012 unter: http://k2kulturkiste.blogsport.de/2012/10/28/ritterliche-nazis/. Im Anschluss an diesen Artikel wurde der Internethandel von Großmann eingestellt.