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WunschdenkenDie Berichte über rechte Gewalt in der Sächsischen Schweiz überschlagen sich. Zahlreiche Menschen sind bemüht, damit das Bild der freundlichen Urlaubsregion nicht beschädigt wird. Sie reden von Ausnahmen und Einzelfällen, beteuern Verbesserungen und fordern gerade jetzt einen differenzierten Blick. Noch vor wenigen Wochen erklärte uns sogar die Süddeutsche Zeitung in einem schwach recherchierten Artikel "der braune Fleck verschwindet". (1)

Aber nein - auch wenn es einige "Akteur_innen" gibt, die es gern so hätten - der Fleck ist nicht verschwunden. Leider!

Selbstverständlich gibt es eine Veränderungen der Situation von 1999 oder 2005, aber dies sind kleine Schritte auf einem schwierigen Weg, dessen Ziel die Veränderung des politischen Klimas in der Region sein sollte. Natürlich agieren Nazis weniger organisiert, als unter der Führung der "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS). Doch den Betroffenen ist egal, welche Nazis zuschlagen! Wichtiger ist, welche Reaktion diese Übergriffe hervorrufen. Und da scheint sich nur wenig verändert zu haben. Kurz nach zwei schweren Übergriffen auf Jugendliche spricht der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig von "bedauerlichen Einzelfällen", das Operative Abwehrzentrum der Polizei vermeldet "Man darf nicht einfach falsche Zusammenhänge herstellen." und der Geschäftsführer der Aktion Zivilcourage wünscht sich, dass die Medien nicht "von außen mit dem Finger drauf zeigen". (2) Reaktionen, die an die Zeit vor 15 Jahren erinnern.

Ein Blick auf die Wahlergebnisse der aktuellen Bundestagswahl zeigt, dass von Entspannung keine Rede sein kann. Die NPD kam bundesweit auf 1,3% und hat dabei eine leichte Einbuße von 0,2% hinnehmen müssen. In Sachsen aber holt sie mit 3,3% das beste Landesergebnis. Fast überall erhielten dabei die Direktkandidat_innen mehr Stimmen, als die Partei. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge kommt die NPD auf 5,1 Prozent (bei den Erststimmen auf 6,6%) und erzielt damit deutlich das bundesweit höchste Ergebnis. Die Parteien rechts von der CDU kommen zusammen im Landkreis auf rund 20.000 Stimmen! (3) Ein Grund zur Beunruhigung. In Reinhardtsdorf-Schöna kam die NPD sogar in Erst- und Zweitstimme auf zweistellige Ergebnisse. Die Partei hat seit vielen Jahren ein gefestigtes Klientel von Wähler_innen und die Stimmverluste, die gerade als positive Zeichen gewertet werden, sind wohl überwiegend dem Antreten der "Alternative für Deutschland" (AfD) zuzurechnen. Doch nicht nur bei diesem Blick, kann das Verschwinden des "braunen Flecks" nicht ernst gemeint sein.

Ein Osloer Rechtsterrorist hat in Pirna vor wenigen Monaten ein Haus gekauft, was nun der lokalen NPD zur Verfügung gestellt wird. Mit nur wenigen Klicks im Internet eröffnet sich die Gefahr, die von Menschen wie ihm ausgeht. Das die NPD mit ihm kooperiert ist kein Wunder und ein deutliches Signal ihrer politischen Üerzeugungen. Und diese können auch zu Taten werden. Die Opferberatungsstelle der RAA Sachsen verzeichnet in diesem Jahr einen Anstieg rechter Gewalt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Zu den diesjährigen "Einzelfällen" zählen unter anderem der Übergriff auf einen Asylsuchenden in Schmiedeberg, Brandstiftung an einem Asia-Imbiss in Pirna, die Attacke auf einen jungen Punk in Pirna, der Angriff auf eine Gruppe Schüler_innen in Bad Schandau oder die Bedrohungen eines Imbissbetreibers in Stolpen. (4)

Das Operative Abwehrzentrum der Polizei in Sachsen weiß es aber besser. Gegenüber der "Freien Presse" erklärt Rüdiger Zwickirch, warum die Statistik der Polizei andere Zahlen von rechten Übergriffen enthält, als die der sächsischen Opferberatungsstelle: "...es ist nicht unsere Aufgabe, ersten Reflexen zu folgen, sondern den Sachverhalt zu objektivieren..." (5) Kurz um, ein Vorwurf an die Berater_innen der RAA Sachsen. Doch offensichtlich weiß Zwickirsch nicht einmal genau wovon er redet, denn eine - wie er es nennt - Verein für "Opfer extremistischer Gewalt" gibt es in Sachsen nicht. (6) Sehr wohl gibt es aber einen für die Opfer rechter Gewalt.

Weiterhin lehrt Zwickirsch den Leser_innen, dass die Zeiten der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) "...doch mittlerweile Jahre her (seien)." Und glaubt dabei offensichtlich wirklich daran: "Umfangreiche Kontrollen nach dem Verbotsverfahren haben dafür gesorgt, dass die Bildung einer Nachfolgeorganisation bis heute ohne Chance ist." Das ein großer Teil der ehemaligen Mitglieder weiterhin aktiv sind, übersieht er. Dabei ist dies in der Region präsent: in Mittelaltervereinen (7), der NPD, Hausprojekten oder auf dem VW-Treffen. Vielleicht hat das Verbotsverfahren wirklich eine Struktur zerstört, die weitere Organisierung der Szene konnte es aber nicht verhindert.

Nein, wer sich ernsthaft mit der Situation in der Sächsischen Schweiz auseinandersetzt und dabei nicht den drohenden Imageverlust im Kopf hat, kann nicht wirklich glauben, dass es sich um Einzelfälle handelt. Es bleibt also weiterhin wichtig, eine klare Position gegen die Ideologie der Ungleichwertigkeit zu beziehen und das Problem dort zu benennen wo es auftritt.

(1) http://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkreis-atlas-der-braune-fleck-verschwindet-1.1755729

(2) http://www.ardmediathek.de/ndr-fernsehen/zapp/bad-schandau-wie-berichten-ueber-neonazis?documentId=17184944

(3) http://www.landratsamt-pirna.de/19971.html

(4) http://raa-sachsen.de/saechsische-schweiz-osterzgebirge.html

(5) http://www.freiepresse.de/SACHSEN/Rechte-Gewalt-in-Sachsen-Einzelfaelle-oder-Alltag-artikel8538289.php

(6) ebd.

(7) http://k2kulturkiste.blogsport.de/2012/10/28/ritterliche-nazis