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Ostritz 2013Im Jahr 2003 fuhren wir zum ersten Mal für ein Wochenende nach Ostritz, um uns mit Überlebenden deutscher Ghettos und Konzentrationslager zu treffen. Seither haben wir Menschen aus verschiedenen Ländern im IBZ St. Marienthal getroffen: aus Polen, aus Tschechien, aus Russland, der Ukraine und aus Belarus. Immer wieder regten uns die Gespräche zum Nachdenken an - immer wieder kamen wir in sehr emotionale Situationen. Auch in diesem Jahr hatten wir das Treffen ausgeschrieben und so eine neue Gruppe Interessierter zusammengestellt.

Die Gruppe der sechs Zeitzeug_innen war bereits vorher zu Schul-Veranstaltungen in Görlitz und Zittau. Am Freitag war dann ein Filmemacher zu Gast, der einen Beitrag zu "Schuld und Verantwortung" drehte. Dabei kam es zu einer interessanten Diskussion über die Wirkungen von Zeitzeug_innen-Gesprächen. Der 88-Jährige Hanuš Hron überlebte mit seiner jüngeren Schwester Anna das Konzentrationslager Theresienstadt. Er ist der Meinung, dass solche Veranstaltung nicht überbewertet werden sollten - es sei wichtiger in die Zukunft zu schauen.

Eine andere Sicht darauf hatte Michal Salomonovič. Der 1933 geborene Zeitzeuge war als Kind in verschiedenen Lagern interniert, darunter: Auschwitz-Birkenau, Stutthof, Dresden und Pirna. Er ist bis heute engagiert und nimmt regelmäßig an Veranstaltungen teil, um seine Geschichte zu erzählen. 1941 begann für ihn und seinen Bruder Josef, damals Kinder im Alter von 7 und 3 Jahren. Über Auschwitz-Birkenau kamen sie nach Stuthof, wo sie mit ansehen mussten, wie der Vater getötet wurde. Der Lagerschreiber machte aus Michael eine Michala und aus Josef eine Josefa. So konnten beide als Mädchen getarnt mit ihrer Mutter zusammen in einem Frauenlager sein. Schließlich kamen sie in das Dresdner Außenlager in der Zigarettenfabrik, Schandauer Straße 38. Dort rettete die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 der jüdischen Familie das Leben.

An den Gesprächen Samstag und Sonntag konnten wir mehr erfahren, denn ähnliche Erlebnisse haben alle Zeitzeug_innen zu erzählen. Eva Lišková, Véra Weberová und Jindřiška Danelová überlebten das Konzentrationslager Theresienstadt an der Elbe/Labe. Es war das größte Sammel- und Durchgangslager in Böhmen. Über 140.000 Menschen waren hier zeitweise interniert - darunter etwa 15.000 Kinder. Eva lernte im Lager auch Ottla Kafka - die Schwester von Franz Kafka - kennen. Im Herbst 1943 ging sie mit einer Gruppe von Kindern nach Auschwitz. Sie begleitete sie freiwillig und wurde kurze Zeit später ermordet. Diejenigen, die überlebten hatten Glück.

Das Lager Theresienstadt ist aber neben all dem Leid auch bekannt für die Vielzahl der musikalischen Werke, die dort entstanden. "Sehr bekannt war die Kinderoper Brundibár, die von Hans Krása komponiert wurde." berichtete Anna. In Theresienstadt komponierten bekannte Persönlichkeiten, wie der österreichische Künstler Viktor Ullmann oder die tschechische Schriftstellerin Ilse Weber. Und ihre Musik führt auch heute noch zusammen - auch das konnten wir wieder einmal erleben. Ein kleiner Vortrag mit jiddischen Liedern zauberte Lächeln auf die Gesichter der Zeitzeug_innen. "Wir sollten Sie mal nach Prag einladen." sagte Anna am letzten Tag. Wir werden gern kommen!

Wieder einmal ein interessantes Treffen, für das wir uns bei Beata Bykowska (IBZ St. Marienthal), sowie Antje Hugle und Herbert Meindl (Maximilian-Kolbe-Werk) bedanken möchten.