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Zu seiner Vorgeschichte Nachdem im Herbst 1937 eine sachsenweite antijüdische Kampagne unter dem Motto „Ein Volk bricht seine Ketten“ zur weiteren Indoktrination des Judenhasses veranstaltet worden war, wurde zwischen dem 4. und 19. März 1938 eine neue Welle von 1350 Versammlungen in Sachsen „unter dem Leitwort Völkerfrieden oder Judendiktatur?“ in Bewegung gesetzt. Im Kreis Pirna fanden dazu insgesamt 60 Großkundgebungen mit Propagandarednern der NSDAP statt. In den Tannensälen sprach der Nazigauleiter Mutschmann persönlich. Er betonte unter anderem, „daß derjenige, der heute noch beim Juden kaufe, sich von der Volksgemeinschaft ausschließt und daß er mit der Veröffentlichung seines Namens rechnen müsse.“[60] In einer weiteren Phase der Judenverfolgung wurde der Raubzug gegen die jüdischen Vermögen eingeleitet und in Gang gesetzt. Ihre Ausschaltung aus dem gesamten Wirtschaftsleben sollte die Verfemten und Verfolgten unter Auswanderungsdruck setzen und ihre Vermögenswerte für die Göringsche Rüstungswirtschaft verfügbar machen. Dazu dienten die im April 1938 erlassenen Verordnungen über die Anmeldung aller jüdischen Vermögenswerte über 5000 Mark und gegen die „Tarnung“ jüdischer Betriebe.[61] Im Juni wurde verfügt, alle jüdischen Gewerbebetriebe zu registrieren und zu kennzeichnen. Der Juli brachte das Aufenthaltsverbot für Juden in Kurorten. In Bad Schandau war dem schon vorgegriffen worden. Seit Herbst 1935 wurden dort keine jüdischen Ausflugs- und Kurgäste mehr aufgenommen, und im April 1938 wartete Bad Schandau mit einer neuen Meldung auf: „Bad Schandau ist judenfrei! Bürgermeister Baumann hat auf Veranlassung des Kreisleiters eine Polizeiverordnung erlassen, die jedem Juden in Zukunft den Aufenthalt in dem schönen Kurort unmöglich macht. Damit erfüllt sich der langgehegte Wunsch nicht nur der Einwohnerschaft, sondern auch der vielen Kurgäste und Besucher Bad Schandaus, dieses Kleinod des Sächsischen Felsengebirges endlich judenfrei zu sehen. Die für alle Kurorte und Sommerfrischen des Sächsischen Felsengebirges beispielhafte Polizeiverordnung des Bürgermeisters von Bad Schandau hat folgenden Wortlaut:“ „Polizeiverordnung über den Aufenthalt von Juden. Im Einvernehmen mit der Kurverwaltung und den Kneippkurbetrieben von Bad Schandau G.m.b.H. wird folgendes verfügt: 1. Juden dürfen in Bad Schandau nicht aufgenommen werden, da keine Privathäuser, Gaststätten und Fremdenheime vorhanden sind, in denen sich nur deutschblütige weibliche Personen über 45 Jahre aufhalten. 2. Juden ist verboten: a) der Aufenthalt in Kurhäusern, b) der Aufenthalt in Kuranlagen, c) der Aufenthalt an und auf dem Tennisplatz, d) die Benutzung der Liegewiesen, e) der Aufenthalt im Elbbade, f) die Benutzung der Eisenquelle, g) die Benutzung aller Veranstaltungen der Kurverwaltung. 3. Die Bestimmungen treten sofort in Kraft. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 150 RM oder entsprechender Haft bestraft.“[62] Völlig unklar ist das Schicksal des Juden Georg Krain, der noch im Mai 1939 als Einwohner Bad Schandaus in der sächsischen Judenliste verzeichnet ist. Am 17. August folgte die Einführung der Zwangsvornamen „Sara“ und „Israel“ ab 1.1.1939. Sie mussten bei den zuständigen Standesämtern fristgemäß beantragt werden. Auch jene Standesämter waren in Kenntnis zu setzen, bei denen einst die Geburt des Betreffenden registriert worden war. Schließlich wurde Mitte Oktober in einer Besprechung bei Göring die gesamte „Arisierung der Wirtschaft“ im einzelnen beraten und angeschoben, auch die Isolierung der Juden in Ghettos. Das erstere zeitigte sofort konkrete Wirkung. In einem Schreiben des Kreiswirtschafts-Beauftragten der NSDAP-Kreisleitung Pirna vom 17.Oktober 1938 wurde „Abraham Jurmann, Textilwaren, Pirna“, aufgefordert, bis zum 25. Oktober eingehend mitzuteilen, welche Schritte er „unternommen (habe), um die Überführung (seines) Geschäfts in arische Hände zu vollziehen“. [63]In Sebnitz musste Benno Lubranitzki im Sommer 1938 sein Geschäft und das Grundstück Langestraße 1 an die Stadt Sebnitz verkaufen. Am 1.9.1938 übernahmen es die Gebrüder Sajonz. Keine Hinweise gibt es über die Auszahlung der Kaufbeträge. Ihren Sohn Walter hatte die Familie Lubranizki im September 1938 auf den Weg in die USA gebracht, von wo aus ein mit der Familie bekannter Hersteller und Importeur künstlicher Blumen eine Bürgschaftserklärung übersandt hatte. Am 5. Juli 1938 musste auch Gustav Baruch sein Hausgrundstück Markt 15 samt Warenlager und Inventar an Frau Anna Stehling verkaufen. Der Kaufpreis soll in voller Höhe ausgezahlt worden sein. Baruchs wurde dabei in ihrem Hause das Wohnrecht eingeräumt.[64] Die der jüdischen Familie Brach seit 1911 gehörende Malzfabrik in Schöna wurde am 1.11.1938 zwangsweise veräußert. Alfred Brach war bereits 1935 unter sehr fadenscheinigen Begründungen, wegen eines angeblichen Devisenvergehens, reichsverwiesen worden. Danach leitete der in Schöna seit 1922 wohnhafte Siegmund Cohn den Betrieb. Emil Kaim und Albert Seligson aus Berlin, die auch Sägewerke in Berlin und Breslau betrieben, waren ab 1921 Besitzer des „Elbsägewerks Schöna GmbH“ (Hirschmühle). Der Bürgermeister von Schöna lobte 1938 das Kaimsche Unternehmen zum Verkauf oder zur Verpachtung aus. Das Sägewerk scheint schon früher in Konkurs gegangen zu sein. Das Haus von Kaim kaufte 1941 der Bäcker Kunze, ein Nazi, aus Heidenau. Kaims haben, bis sie vom Bürgermeister ortsverwiesen wurden, ihre Ferien in Schöna verbracht.[65] Die Porschendorfer Pappenfabrik samt der dazu gehörigen Villa, die der Familie Scooler gehörte, wurden im Juni „arisiert“.[66] Vom 27. zum 28. Oktober 1938 wiesen die Nazis in einer Nacht- und Nebel-Aktion etwa 17 000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit über die polnische Grenze aus Deutschland aus. Das Sächsische Innenministerium meldete an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren am 1.11.38 den Vollzug: Es „...sind in der Nacht vom 27. zum 28.10.38 alle in Sachsen ansässigen polnischen Staatsangehörigen in Abschiebehaft genommen. Sie sind im Verlaufe des Donnerstags in 6 Sonderzügen, davon 1 von Dresden, nach Beuthen transportiert worden“. Aus Dresden wurden 724, aus Sachsen insgesamt 2804 vertrieben, ihre Wohnungen versiegelt, die Schlüssel in polizeilichen Gewahrsam genommen.[67] Polen weigerte sich, sie aufzunehmen. Es kam zu erschütternden Szenen im Grenzbereich. Betroffen davon war Ilse Engler, inzwischen in Dresden mit Arno Fischer, „Ostjude“ aus Polen, verheiratet.[68] Fritz Goldstein aus Heidenau, seine Ehefrau Gittel und die Tochter Leonore befanden sich gleichfalls unter den nach Polen abgeschobenen. Fritz Goldsteins gesamter Besitz verfiel der Beschlagnahme.[69] Zu den Abgeschobenen gehörte auch der Heidenauer Wilhelm Weinberger, der als in Polen verschollen verzeichnet ist.[70] Die Nachrichten über die Leiden der Vertriebenen gingen durch die Weltpresse. Diese Ereignisse bildeten für Herszel Grynszpan, dessen Angehörige gleichfalls betroffen waren, das Motiv für sein Attentat vom 7. November auf den deutschen Botschaftsangehörigen vom Rath in Paris. 6.2.2. Der Pogrom In der Nacht vom 9. zum 10. November brach der daraufhin von Goebbels inszenierte „spontane Volkszorn“ überall aus. In diesen Tagen wurden in Deutschland rund 7000 Geschäfte demoliert und geplündert, die meisten Synagogen verwüstet und verbrannt, etwa 30 000 Juden verhaftet, in KZ verschleppt und den jüdischen Bürgern eine Abgabe in Höhe von einer Milliarde Reichsmark abgepresst.[71] Die Tat eines Einzelnen wurde sofort als Angriff der gesamten Judenheit auf die Deutschen schlechthin deklariert. „Volkszorn“ und „Sühnemaßnahmen“ wären so verständliche und unumgängliche Folgen. Dabei kam der Pogrom, wie die voraufgegangenen Maßnahmen der Naziführung zeigen, nicht aus heiterem Himmel. In Pirna geschah das durch nachts mobilisierte SA-Horden in den frühen Morgenstunden des 10. November. Esra Jurmann schreibt: „Ich ging am 10. November 1938, nachdem ich der Schule verwiesen wurde, in das Geschäft meines Vaters. Am Morgen, als ich in die Schule kam, bekam ich ‚Blicke‘, neugierig, interessiert, anders als sonst. Als Herr Gulemann, der Klassenlehrer, mich nach Hause schickte, wußte ich, daß etwas Außerordentliches geschehen war. Was, wußte ich nicht. Ich überhörte ein Geflüster, irgendetwas mit ‚der Laden‘. Meine ‚Beurlaubung‘ war einfach, daß Herr Gulemann mir sagte, ich könne nach Hause gehen und mir einen Brief für meinen Vater mitgab. Als ich die Schloßstraße hinunterging, sah ich, außer einer Menschenmenge bei unserem Geschäft, nichts. Als ich dann über den Markt ging und näher am Laden war, sah ich die zertrümmerten Scheiben. Meine Eltern waren im Geschäft. Die Menschen gafften und sagten nichts. Man erkannte mich und machte mir Platz, damit ich durchkam. Mein Vater war die Ruhe selbst. Er schickte mich zu Taggesell, dem Fleischer nebenan und gab mir Geld, damit ich dort nach Herzenslust Wiener Würstchen verspeisen konnte. Damit war ich aus dem Weg. Am Abend fuhr ich mit Weiners, vom Geschäft gegenüber, nach Dresden. Das Weinersche Geschäft war auch zerstört.“[72] Ursula Wellemin, geb. Heß, teilt mit: „Es wurde uns gesagt, daß... sich ein Pöbel an dem Pirnaer Markt versammelte und daß die Versammelten von Reden gegen uns angespornt wurden. Diese Menge von Leuten bestand hauptsächlich aus einem Kontingent von SA. Diese kamen aus der Stadt Wehlen, wo wir ganz unbekannt waren (d.h. sie wurden aus Wehlen geschickt). Später an dem Tag (nachdem mein Vater abgeholt worden war) stürmte der Pöbel - mehrere Hundert - unser Haus, Postweg 64, nachdem sie Ziegelsteine durch das Fenster geworfen hatten. Sie machten viel Schaden (Flügel, Bilder), schütteten Tinte auf Bettücher etc. Wir versteckten uns auf der Treppe, die in den Keller und zu den Büros führte und schlossen die Tür zu der Halle im Haus zu (die man nicht gut von der Halle aus sah). Es wurde nicht versucht, die Büros zu stürmen... Wir flüchteten durch das Büro und den Garten in eine Taxe, die uns nach Dresden zu unserer Großmutter fuhr.“[73] Der „Pirnaer Anzeiger“ meldete dazu am Freitag, dem 11.11.: „In Pirna machte sich der Zorn gegen die Mordjuden ebenfalls in verschiedenen Aktionen Luft. Unter anderem wurden die Scheiben jüdischer Geschäfte zertrümmert und einige Juden in Schutzhaft genommen. Am Donnerstag fand auf dem Markt eine Kundgebung statt, in der Pg. Hugo Müller scharfe Worte gegen die Juden richtete. Im Anschluss daran zog man vor jüdische Kaufhäuser.“ Neben den Konfektionsgeschäften von Jurmann und Weiner waren noch das „EHAP“ und das Schuhkaufhaus Neustadt in der Breiten Straße betroffen. Die damals schon außerhalb Pirnas wohnhafte Inhaberin dieses Kaufhauses, Frau Tannchen, wandte sich an den Oberbürgermeister Dr. Brunner um Hilfe, aber die Behörden hatten sich aus den Vorgängen herauszuhalten. Polizisten nahmen in den Morgenstunden des 10. zwei tatbeteiligte SA-Leute in Unkenntnis dieser Weisung fest, mussten sie aber bald freilassen.[74] „In Neustadt wurden am 10. November 1938 die beiden Schaufensterscheiben des Textilgeschäftes Eric Israel in der Böhmischen Straße 19 zerschlagen. Aus einem vorbeifahrenden Pkw waren Steine geworfen worden. In der dem Haus gegenüber liegenden Einfahrt standen die Nazis mit zwei Tafelwagen. Auf ihnen standen Schilder mit der Beschriftung „Judenschwein” und „Judensau”. Man wollte Herrn Israel auf den einen Tafelwagen und Frau Israel auf den anderen durch die Stadt fahren. Das Ehepaar Israel war aber von der Familie Wehland, den Besitzern des Grundstückes, auf dem Boden hinter Holz in einen Verschlag versteckt worden. Heinz Wehland, der Sohn des Schneidermeisters Wehland, hatte im Hof einige Zaunlatten abgeschlagen. Damit war der Eindruck entstanden, daß Israels durch den Zaun geflohen wären. Das Ehepaar floh am darauffolgenden Morgen nach Dresden, wo es in einem Judenviertel wohnte. Sie kamen dann aber mehrfach zurück, um Mobiliar und anderes Eigentum zu verkaufen. Wer kaufte es – und zu welchem Preis? Die später herabgelassenen Rolläden wurden mit antisemitischen Losungen beschmiert, Losungen, die auch bei einer von den Nazis organisierten Zusammenrottung gebrüllt wurden.“[75] In der Lokalzeitung ist lediglich ein Bericht über die abendliche Kundgebung in Neustadt wiedergegeben: „Gerade in unserer Ortsgruppe, als älteste des Kreises Pirna, ist das Rassenproblem stets ein wichtiger Bestandteil der Aufklärung und Schulung der Bevölkerung gewesen. Bei steigender Erregung sammelten sich weit über 200 Partei- und Volksgenossen am gestrigen Abend auf dem Markt und der Böhmischen Straße, um vor dem Geschäft des Juden Erich Israel ihrer berechtigten Empörung Ausdruck zu verleihen. In Sprechchören und spontanen Kundgebungen wurde verlangt, daß der Jude unsere Stadt verlässt. Nur mit Mühe gelang es, die erregte Volksseele zu beschwichtigen. Ortsgruppenleiter Pg. Müller sprach in wuchtigen Worten zu der Menge und zeigte das namenlose Elend und Unglück, das durch die jüdische Rasse über unser Volk gebracht worden ist. Gerade die letzte Zeit hat erneut gezeigt, daß Alljuda es gewesen ist, das versucht hat, einen neuen Weltenbrand zu entfachen mit dem einzigen Ziel, unser deutsches Volk, wie schon einmal durch den Weltkrieg und die Inflation, von neuem auszusaugen und zu versklaven. Als Abschluss versammelte sich die Menge erneut auf dem Obermarkt. Hier wies der Ortsgruppenleiter Pg. Müller nochmals darauf hin, daß nur die Gemeinschaft, der Einsatz und die Einmütigkeit aller in der Bekämpfung der jüdischen Pest zum Ziele führen kann. Er warnte aber auch vor der Durchführung von Einzelaktionen mit dem Hinweis, daß Partei und Regierung als Antwort auf den gerechtfertigten Unwillen des ganzen deutschen Volkes Maßnahmen ergreifen werden, die zu einer entgültigen Lösung der Judenfrage in Deutschland führen werden.“[76] Weil sie annahmen, daß auch ein Konfektionsgeschäft in der Pirnaer Breiten Straße ein jüdisches Unternehmen sei, zerschlugen SA-Leute dort ebenfalls die Schaufensterscheiben und warfen Teppiche und andere Waren auf die Straße. Beteiligte bedienten sich dabei. Es entstand, wie bei den jüdischen Geschäften, erheblicher Schaden. Es kostete dem Besitzer einige Mühe, den Irrtum auszuräumen.[77] Obwohl die Naziführung für den 10. November das Ende des „spontanen Volkszorns“ verfügte, gab es Ausläufer des Pogroms in Gestalt öffentlicher antisemitischer Handlungen auch noch an nachfolgenden Tagen. So berichtete der „Pirnaer Anzeiger“ vom 15./16.11. von einer öffentlichen Kundgebung in Pirna-Copitz am 14.11. Ortsgruppenleiter Peukert eröffnete sie und begrüßte als Redner den Leiter des sächsischen Volksbildungsministeriums, Pg. Göpfert. Weil, was er ausführte und der "Pirnaer Anzeiger" wiedergab, so charakteristisch für die Pogromstimmung und den überschäumenden Judenhass ist, sollen die wesentlichen Passagen des Redeberichts hier wiedergegeben werden. Göpfert erklärte: „Wir haben in der Welt nur einen Feind, und das ist der Jude. Mit seiner Hasspropaganda hat uns der Jude unsere Anständigkeit gedankt; man erfand Gräuelmärchen; man versuchte uns wirtschaftlich zu ruinieren, und mit den letzten Schüssen wollte er nicht nur die Person, sondern das deutsche Volk treffen. Darauf habe das deutsche Volk auch entsprechend geantwortet. Es kann nur eine einzige Antwort geben: ‚Raus mit den Juden aus Deutschland!‘ Und wenn man ihn raushaben will, muss man ihm seine Geschäfte zumachen. Die Verordnung des Generalfeldmarschalls Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan habe nun gründlich dafür gesorgt. Man muss aber auch dafür Sorge tragen, daß der Jude niemals wieder zurückkommt; man müsse deshalb unsere Jugend wachhalten. Der Redner wandte sich dann gegen die, die immer noch Mitleid mit den Juden und kein Verständnis für die Maßnahmen der Regierung haben. Es muss Sorge dafür getragen werden, daß ein Deutscher nie wieder mit einem Juden zusammenkommt.“ So weit dieser Auszug. In den Morgenstunden des 10.11. wurde der Fabrikbesitzer Manfred Heß verhaftet, am gleichen Tage Bruno Freymann[78], tags darauf auch der Kaufmann Wolf Jurmann, Obere Burgstraße 6, Alfred Cohn, Schuhgasse 9, und der Arbeiter Ernst Noack, der Hohnstein und eine einjährige Gefängnisstrafe hinter sich hatte. Pirnaer Polizisten brachten sie nach Dresden. Am 12. November überführte man sie, bis auf Freymann, nach Buchenwald. Da die Verhaftungswelle alle 18- bis 60jährigen männlichen Juden betraf, dürfte dieses Schicksal auch Dr. Hans Feder (57), Wilhelm Weinberger (59), Bernhard Berger (39) aus Heidenau, Georg Krain (22) aus Bad Schandau und Alfred Jaffé (58) aus Königstein und Werner Scooler (37) aus Porschendorf, der zu dieser Zeit aber schon in Dresden wohnte, betroffen haben. Bereits bei der Ankunft der insgesamt fast 10.000 verhafteten Juden in Buchenwald spielten sich grauenhafte Szenen ab. In aller Eile mussten die Inhaftierten ihr eigenes Sonderlager errichten. Ständiger unberechenbarer Terror durch die SS, stundenlanges Stehen und Sitzen auf dem Appellplatz, „Freiübungen“ und vielgestaltige Schikanen, Hunger und Wassermangel prägten die Tage im Sonderlager. Der Zweck dieser Lagerhaft enthüllt sich durch jene Ankündigung, die schon in den ersten Lagertagen über Lautsprecher erging: „Alle Judenvögel herhören! Erstens: Ihr bleibt solange hier, bis ihr eure Geschäfte, Fabriken und Häuser verkauft habt und beweisen könnt, daß ihr schleunigst auswandern werdet. Zweitens: Durch eure Schuld ist dem deutschen Volk großer Schaden entstanden. Ihr seid verantwortlich für die Zerstörungen in den deutschen Städten. Deshalb wird angeordnet: Die Versicherungsbeiträge für eure Wohnungen und Geschäfte erhaltet nicht ihr, sondern das deutsche Volk.[79] Drittens: Eure Frechheit muss bestraft werden. Deshalb wird den Juden in Deutschland eine Konventionalbuße auferlegt. Sie beträgt eine Milliarde Reichsmark.“[80] Geld und Wertsachen mussten abgeliefert werden. Die SS, von der Lagerführung bis zur Bewachungsmannschaft, bereicherte sich maßlos. Auch dafür musste sich der Lagerkommandant Karl Koch später in einem Korruptionsverfahren verantworten. Schon 10 Tage nach der „Rath-Aktion“ begannen die Entlassungen, vorzugsweise jener, die sich zum „Verkauf“ ihres Eigentums und zur Ausreise aus Deutschland verpflichteten und das auch nachweisen konnten. Wer entlassen wurde, musste über die Vorgänge im Lager zu schweigen geloben und erklären, daß ihm weder Geld noch Wertgegenstände abgenommen worden waren. Am 1. Januar 1939 betrug die Zahl der Inhaftierten nur noch 1605, Anfang Februar war es geräumt und wurde dann abgerissen.[81] Den jüdischen Kaufleuten wurde aufgetragen, die an ihren Geschäften entstandenen Schäden auf eigene Kosten unverzüglich zu beheben. Gipfel der Infamie: Noch am 2. Dezember schrieb der Pirnaer Oberbürgermeister Dr. Brunner an „Wolf Jurmann, zur Zeit Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar“: „...Auf Grund dieser gesetzlichen Vorschriften fordere ich Sie hiermit auf, die an ihrem hiesigen Geschäft Schössergasse 1, Markt 14 entstandenen Schäden nunmehr sofort zu beseitigen. Sollten Sie dieser Anordnung nicht nachkommen, werde ich mit Zwangsmaßnahmen (!) gegen Sie vorgehen.“[82] Am 22.11.ergriff der Kreisleiter Elsner in einer Versammlung der NSDAP-Ortsgruppe Heidenau „das Wort zu einer scharfen Abrechnung mit dem Judentum und seinen heimlichen Freunden sowie denjenigen, die die deutsche Einheit angreifen.“ „ Schluss mit der Gutmütigkeit gegen dieses Parasitenvolk, das Deutschland schon einmal ins Unglück gestoßen hat“, forderte er. Mitleidige „sollen sich nicht aufregen über Maßnahmen, die zum Schutze des deutschen Volkes notwendig sind.“ ...“Schon Luther hat gegen ‚Juden und ihre Lügen‘ gestritten“.... „Wenn in Deutschland jemand nur ein Wort für die Juden übrig hat, dann ist er kein Deutscher.“[83] Der hier beschworenen „deutschen Einheit“ waren sich die braunen Herrscher anscheinend doch nicht so gewiss. Der Verweis auf Mitleidige deutet immerhin an, daß sich die Pogromtäter der, wenn auch stillschweigenden, Missbilligung eines Teils der Bevölkerung bewusst waren. Nach Juden forschte man auch in der Anstalt Sonnenstein. Auf die Anfrage des Pirnaer Oberbürgermeisters benannte die Anstaltsleitung drei jüdische Patienten, davon zwei deutscher und einer englischer Staatsangehörigkeit.[84] Die Erkundigung nach den Vermögensverhältnissen ergab, daß für Otto S. und Kurt P., die beiden Deutschen, da sie kein Vermögen hätten, die Kosten vom Landesfürsorgeverband getragen würden. Für Arno A. und Otto S. wären noch keine Vormünder bestellt, „weil es sich um Juden handle, die niemand vertreten wolle.“ Für Otto S., dessen Anwesenheit in der Anstalt noch bis zum Sommer verbürgt ist, verpflichtet man schließlich Heinrich Israel Jordan aus Dresden. Dem wird sofort bedeutet, er habe für S. die notwendige Namensergänzung „Israel“ zu beantragen. Otto S. wurde „am 27.8.1939 nach Arnsdorf zur Abmeldung gebracht.“[85] Das weitere Schicksal dieser drei liegt im Dunkeln. Wurden auch sie 1940/41 wieder in ihre einstige Anstalt, Vernichtungsstätte im Euthanasie-Programm, auf ihren letzten Weg gebracht? Am 10. November wurden die letzten jüdischen Schüler aus den Pirnaer Schulen verwiesen. [86] (Quelle: www.geschichte-pirna.de oder Buch: "Unsere Heimat unterm Hakenkreuz"


07
Mai
K2-Kulturkiste
-
Pirna
Zeit: 13:30

15
Jun
Stadtgebiet Pirna
-
Pirna
Zeit: 10:00

22
Jul
Kulturkiste Pirna
-
Pirna

24
Aug
Hohnstein
-
Hohnstein
Zeit: 10:00

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